Als Käufer darf man sich nicht blenden lassen
Sie haben im Oktober 2020 die Gross Treuhand AG in Hägendorf übernommen. Was war das Motiv dieser Akquisition?
Wir hatten schon immer ein wenig Ausschau gehalten nach einer möglichen Akquisition einer kleineren Treuhandfirma, die zu uns passen könnte. Aufgrund unserer räumlichen und personellen Ressourcen war dies eine strategische Option. Der Faktor Zeit spielte dabei keine Rolle. Die Gross Treuhand erfüllte dabei unsere Kriterien einer möglichen Übernahme. So haben wir uns auf eine aktive Anfrage einer spezialisierten Firma für Firmenverkäufe gemeldet und unser Interesse für den Kauf der Firma Gross Treuhand mitgeteilt.
Sie haben auch andere Akquisitionen geprüft, was war der Grund, dass Sie nicht durch Übernahmen weiterwachsen möchten?
Ja, in der Tat. Es gab nach der Akquisition der Gross Treuhand noch zwei weitere Treuhandfirmen, die wir für eine mögliche Übernahme angeschaut haben. Wie bei vielen KMU waren dies auch Treuhandfirmen, die mit Nachfolgelösungen konfrontiert wurden. Die näheren Überprüfungen haben dann aber ergeben, dass die Angebote personell und finanziell nicht passten. In beiden Fällen waren insbesondere der Einsatz der nötigen Fachkräfte und der zeitliche Aufwand der Akquisitionen die beiden hemmenden Faktoren.
Was sollte man unbedingt tun, wenn man eine andere Unternehmung übernimmt?
Bei einem Firmenkauf ist nebst diversen anderen Vorbereitungen/Arbeiten insbesondere wichtig, die Finanzierung sicherzustellen, den Kaufpreis zu überprüfen, eine sog. «Due Diligence» des zu kaufenden Betriebes durchzuführen und nicht zuletzt den Faktor Zeit nicht zu unterschätzen. Bevor über einen Firmenkauf nachgedacht werden kann, sollten die nötigen finanziellen Mittel der Investition vorhanden oder sichergestellt sein. Diese bestehen aus Eigenfinanzierung in Form von z.Bsp. bestehenden Bankguthaben und Fremdfinanzierung, in Form von Darlehen von Dritten oder Banken. Dabei wird oft unterschätzt, dass Banken oder Dritte aus Risikoüberlegungen resp. wegen Vorschriften maximal die Hälfte des Kaufpreises zu finanzieren bereit sind. Es ist also wichtig, dass hier Klarheit geschaffen wird.
Die Verkaufenden einer Unternehmung wollen für ihre langjährig aufgebaute Gesellschaft einen möglichst hohen Preis erzielen. Entsprechend werden auch die finanziellen Zahlen möglichst schön dargestellt. Es lohnt sich, den Kaufpreis mittels einer neutral erstellten Unternehmensbewertung, auf Basis der erhaltenen Zahlen der Gesellschaft, zu überprüfen. Dabei kommen nicht selten unterschiedliche Preisvorstellungen zum Vorschein, die in den weiteren Verhandlungen geklärt werden müssen.
Ist man sich über den Kaufpreis einig und besteht eine entsprechende Finanzierung, so kann der zu übernehmende Betrieb mittels einer Due Diligence näher überprüft werden. Bei einer Due Diligence werden die finanziellen, steuerlichen und rechtlichen Unterlagen und Dokumente der zu kaufenden Gesellschaft überprüft. Die entsprechenden Unterlagen werden oft in einem sog. Datenraum zur Verfügung gestellt, unter Wahrung der nötigen Vertraulichkeit. Es lohnt sich hier seitens der Käuferschaft eine erfahrene Person oder Firma mit der Überprüfung zu beauftragen. Schliesslich spielt der Faktor Zeit immer eine nicht zu unterschätzende Rolle. Vom ersten Treffen mit den Inhabern der Unternehmung über eine mögliche Übernahme bis zum Unterzeichnen der definitiven Vertragsunterlagen gehen auch im Falle von Kleinbetrieben schnell einmal sechs bis neun Monate vorbei. Erschwerend in unserem Fall war noch der Ausbruch der Corona-Krise im März 2020, mit den dannzumal schwer abschätzbaren Unsicherheiten und Risiken.
Und was sollte man auf alle Fälle vermeiden?
Als Käufer einer Unternehmung darf man sich «nicht blenden lassen». Der Verkäufer präsentiert seine Firma auf dem «Silbertablett». Oft basieren Kaufpreise auf Unternehmensbewertungen mit zu optimistischen Zahlen. Der Unternehmenswert hängt insbesondere von den zukünftig erzielbaren Gewinnen der zu kaufenden Unternehmung ab. Dabei werden in der Bewertungspraxis auf Basis der vergangenen drei Jahre die Planzahlen der Erfolgsrechnungen der nachfolgenden fünf Jahre projiziert. Diese Planzahlen sind kritisch zu hinterfragen. Ebenfalls ist ein Augenmerk auf die Verkaufsdokumentation der Unternehmung zu legen. Ist diese vollständig, stimmen die beschriebenen internen und externen Angaben bzgl. Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, regionale/nationale Märkte usw. Da lohnt es sich, in Interviews die richtigen Fragen zu stellen resp. auch vor Ort eine Besichtigung vorzunehmen.
Die Übergangsphase nach dem Unterzeichnen der Verträge darf nicht vergessen werden. Die wichtigen Kunden- und Lieferantenbeziehungen sollen reibungslos übernommen werden können. Ebenfalls ist darauf zu achten, dass etwa Mitarbeitende mit wichtigen Funktionen und Know-how weiterhin in der Firma bleiben. In der Praxis ist es üblich, dass die verkaufenden Inhaber für eine Dauer von 1 bis 2 Jahre in der Firma weiterarbeiten, mit entsprechenden Arbeitsverträgen, damit dies sichergestellt werden kann.
Bei Firmenkäufen ist professionelle Unterstützung ein Schlüssel zum Erfolg. Firmenkäufe gehören schliesslich nicht zum «Daily-Business». Da lohnt es sich, qualifizierte Berater zu engagieren, die die Käuferschaft während des ganzen Kaufprozesses begleiten. Sei es bei Interviews, beim Überprüfen des Kaufpreises, bei der Durchführung einer Due Diligence, bei der Kaufpreisfinanzierung usw.. Es gibt zu viele steuerliche, rechtliche oder finanzielle Stolpersteine, die bei einem Firmenkauf teuer zu stehen kommen können.
Welche Dinge haben sich bei der Übernahme der Gross Treuhand bewährt?
Als Erstes kommt mir diesbezüglich die pragmatische Vorgehensweise in den Sinn. Inhaber von Treuhandgesellschaften haben berufsbedingt grundlegende Kenntnisse im finanziellen, rechtlichen, steuerlichen Bereich resp. auch bei Nachfolgelösungen. Entsprechend konnte der ganze Kaufprozess in schlanker Art und Weise durchgeführt werden. Es war auch von Anfang an ein Vertrauen und Verständnis zwischen dem verkaufenden Inhaber und uns als Käuferschaft vorhanden, nicht zuletzt ein «positives Bauchgefühl», was zum erfolgreichen Abschluss führte.
Was würden Sie heute anders machen?
Im Grundsatz würden wir nichts anders machen. Insbesondere die vorhin erwähnte pragmatische Vorgehensweise hat sich in unserem Fall gelohnt.
Ist es notwendig gewesen den «Brand» von Gross Treuhand zu erhalten, um die bestehenden Kunden bei der Stange zu halten?
Wir hatten die Aktien der Gross Treuhand erworben und es war klar, dass die Firma Gross Treuhand als selbständige Tochtergesellschaft in der Anfangsphase weitergeführt wurde. Ebenfalls stand uns Herr Gross nach der vertraglichen Übernahme anfangs Oktober 2020 weiterhin mit Rat und Tat zur Verfügung. Auch haben wir die bisherigen Mitarbeitenden übernommen, die gute Kenntnisse über die bestehenden Kunden hatten, damit eine gewisse Stetigkeit bei der Kundenbetreuung aufrechterhalten werden konnte. Dies beinhaltete auch das Weiterführen der Website Gross Treuhand, die Übernahme der Kommunikationsvorlagen wie Briefpapier, Logo, Mail-Signatur usw.. Ungefähr ein Jahr später erfolgte eine Firmenumstrukturierung sowie der Namenswechsel der Tochtergesellschaft «Gross Treuhand» auf «Schürmann Treuhand».
Was war Ihre grösste positive Überraschung bei der Übernahme?
Unsere grösste positive Überraschung war die reibungslose Übernahme der Neukunden. Die neuen Kunden resp. bestehenden Kundenbeziehungen konnten mittels offener und vertrauenswürdiger Kommunikation grösstenteils reibungslos übernommen resp. weitergeführt werden. Wie sagt man so schön: Die «zwischenmenschliche Chemie» passte von Anfang an und stimmt uns für die weitere Zusammenarbeit sehr positiv.
Was ist Ihr Fazit: Hat sich die Übernahme gelohnt?
Mit der Übernahme konnte die Schürmann Treuhand (ST) ihr Mitarbeiterteam verstärken und den Kundenkreis erweitern. Wir durften viele interessante Neukunden kennenlernen, welche wir in Treuhand-, Steuer- und Wirtschaftsprüfungsthemen beraten und ihnen zur Seite stehen können. Bezugnehmend auf Ihre Frage können wir klar antworten: Es hat sich gelohnt!
Was waren die Gründe, wenn Kunden den Wechsel zu Schürmann Treuhand nicht vollzogen haben?
Nur wenige Kunden haben den Wechsel zur ST nicht vollzogen. Die Hauptgründe lagen im fortgeschrittenen Alter von Geschäftsinhabern, welche ihre Unternehmung nicht mehr weiterführten oder Kleinkunden mit z.B. Steuererklärungen, welche die ortsansässige Nähe sehr schätzten.
Wie haben Sie den Kunden gegenüber den Eigentümerwechsel kommuniziert?
Die Kommunikation des Eigentümerwechsels erfolgte mit einem ausführlichen Kundenschreiben zur Geschäftsübergabe und Pensionierung von Herrn Gross. Zusätzlich wurden die bestehenden Firmenkunden bei einem gemeinsamen Gespräch mit Herrn Gross und uns persönlich informiert. Dabei nutzten wir gleich die Gelegenheit, die ST vorzustellen.
Welche Rolle spielte der Brand der Schürmann Treuhand für den Erfolg, die bestehenden Kunden von Gross Treuhand weiter betreuen zu können?
Der Brand resp. Ruf einer Firma spielt auch bei KMU in der Dienstleistungsbranche eine wichtige Rolle. Unsere ST ist seit über 35 Jahren als regional bekannte Firma in der Treuhand- und Wirtschaftsprüfungsbranche tätig. Wir kennen die Bedürfnisse der KMUBetriebe und Privatkunden und bieten qualifizierte und kundenorientierte Dienstleistungen, Beratungen an. Unsere Marke resp. unser Ruf hat eine erfolgreiche Kundenübernahme unterstützt.