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Unternehmen neu gedacht  

Jeder unternehmerische Entscheid basiert auf der Idee, eine Chance zu nutzen und daraus einen Erfolg zu erzielen. Direkt damit verbunden besteht das Risiko, dass durch diesen Entscheid als Folge eines äusseren oder inneren Einflusses ein Schaden entsteht.

Welche Risiken beschäftigen uns im Jahr 2022?

Wenn wir die Risiko-Ranglisten der Organisationen anschauen, die sich intensiv damit beschäftigen (s. unten), sehen wir: Es sind mehrheitlich Risiken mit globalem Charakter.

  • Allianz Group, Allianz Risk Barometer 2022
  • World Economic Forum, Global Risk Report 2022
  • BCI Horizon Scan Report 2022
  • PWC, 25th Annual Global CEO Survey 2022
  • NC State University, Executive Perspectives on Top Risks for 2022 & 2031

Grund dafür ist die stark vernetzte Welt, in der wir uns heute bewegen. Die Vernetzung von Unternehmen hat durch die Globalisierung vor allem in den letzten 25 Jahren sehr stark zugenommen. Während im Jahr 2000 erst um die 20 000 Unternehmen weltweit tätig waren, sind es heute rund 150 000 multinationale Unternehmen. Eine kleine Katastrophe am «Ende der Welt» kann einen Einfluss auf die Unternehmen in der Schweiz haben. Der Ausfall eines Internet-Tiefseekabels, ein Stau im Suezkanal, eine Pandemie, wie wir sie erst gerade erleben haben, oder ein Krieg können unsere ganze schöne Welt aus den Fugen bringen.

Durch die globale Vernetzung haben politische und soziale Unruhen und Kriege direkten Einfluss auf unsere Lieferketten, die Versorgungssicherheit und damit auf unser tägliches Leben. In der Vergangenheit beschäftigte uns das Pulverfass Naher Osten wegen der fossilen Brennstoffe. Durch die starke Zunahme der geopolitischen Spannungen in Russland, der Ukraine, dem Nahen Osten, Hongkong, Thailand usw. hat die Unsicherheit massiv zugenommen. Aber gerade diese Risiken sind es, auf die vor allem die KMU am schlechtesten vorbereitet sind, da sie in den gängigen Risikomodellen schwierig einzustufen sind und meistens mit einer sehr kleinen Eintrittswahrscheinlichkeit gerechnet wird.

Funk Global Risk Consensus 2022

Der Funk Global Risk Consensus ist eine Zusammenfassung der Risiko-Studien der fünf erwähnten Organisationen (s. Kasten). Damit soll den unterschiedlichen Befragungsarten und Ansprechpersonen der verschiedenen Studien Rechnung getragen werden und ein unabhängiges, noch breiter abgestütztes Risikoinventar zur Verfügung stehen. Wie bereits in den letzten Jahren sind die Cyberrisiken auf dem ersten Platz. Dieses Jahr zusammen mit den Nicht-Berufskrankheiten, was eine Auswirkung der weiterhin anhaltenden Corona-Pandemie sein dürfte. Nach den verheerenden Stürmen, Hochwassern und Dürren im letzten Jahr folgt an dritter Stelle der Klimawandel. Die Risikolandschaft hat sich gegenüber dem Vorjahr also nur unwesentlich verändert.

Allianz Risk Barometer 2022

Seit elf Jahren erarbeitet die Allianz Gruppe den Allianz Risk Barometer. Für die Ausgabe 2022 wurden 2650 Risikospezialisten in 89 Ländern befragt, wie sie die Risiken der nächsten zwölf Monate einschätzen. Die Risiken werden im detaillierten Report nach Kontinenten, Ländern, Industrien und der Unternehmensgrösse ausgewertet. Die folgende Aufstellung zeigt jene Risiken, die am meisten genannt wurden.Die auf den Rängen eins bis vier genannten Risiken überraschen nicht, sie decken sich mit den eingangs erwähnten und dominieren auch die Schlagzeilen.

Cyberrisiko

Im Zuge der beschleunigten Digitalisierung und der vermehrten Remote-Arbeiten im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie konnten der Ausbau der Sicherheitsdispositive und die Schulung der Mitarbeitenden nicht Schritt halten. Dadurch hatten die Hacker leichtes Spiel. Mit immer professionelleren Taktiken und hochkarätiger Ransomware wurden nicht nur bekannte multinationale Unternehmen, sondern auch kleinste KMU angegriffen. Ransomware ist für Cyberkriminelle zu einem grossen Geschäft geworden. Kriminelle Organisationen führen die Angriffe nicht nur selber durch, sondern verkaufen – gegen Kryptowährung, um anonym zu bleiben – die Ransomware für nur 40 US-Dollar pro Person im Monatsabonnement mit den entsprechenden Anleitungen. Das heutige Geschäftsmodell basiert auf einer doppelten Erpressungstaktik aus Entschlüsselung und der Drohung, sensible oder persönliche Daten freizugeben.

Betriebsunterbrechung

In einem Jahr, das von weitverbreiteten Störungen durch die Covid-19-Pandemie, Stürme, Cyberangriffe und die Blockade des Suezkanals geprägt war, ist es nicht verwunderlich, dass Betriebsunterbrechungen (Business Interruptiones = BI) und Unterbrechungen der Lieferkette weiterhin zu den besorgniserregendsten Geschäftsrisiken gehören. Die grösste Angst der Unternehmen in diesem Kontext ist, nicht mehr in der Lage zu sein, ihre Produkte oder Dienstleistungen zeitgerecht zu produzieren und zu liefern.

Eine der deutlichsten Manifestationen von BI während der Covid-19-Pandemie waren die beispiellosen Störungen der Lieferkette im Jahr 2021 und zum Teil bis heute. Unternehmen mussten die Produktion schliessen oder zurückfahren, wenn sie nicht in der Lage waren, kritische Komponenten zu sichern, oder auf Verkäufe verzichten aufgrund von Kapazitätsproblemen, wie z.B. Einschränkungen bei der Containerschifffahrt oder Arbeitskräftemangel. 2022 werden die vorstehenden Risiken noch verschärft durch den Krieg in der Ukraine, die damit verbundenen Sanktionen gegen Russland und Weissrussland sowie die Gegensanktionen bei Gas und Rohöl. Hinzu kommen die Engpässe bei vielen Rohmaterialien aus diesen Kriegsgebieten. 

Das neue Modewort heisst Resilienz. Es wird zum Wettbewerbsvorteil, der Weckruf ist erfolgt. Die Störungen haben Unternehmen wie auch Regierungen sensibilisiert und eine Überprüfung der Widerstandsfähigkeit von Unternehmen und kritischen Lieferketten ausgelöst.

Naturkatastrophen

Laut Swiss Re werden die versicherten Schäden aus Naturkatastrophen im Jahr 2021 auf rund 105 Milliarden US-Dollar geschätzt, was die vierthöchste Schadenssumme seit 1970 wäre.

Wir sind es uns spätestens seit dem Hurrikan Katrina im August 2005 gewohnt, dass die USA alljährlich immer häufiger und mit stärkeren Stürmen zu kämpfen hat, und das nicht nur in der Hurrikansaison, sondern inzwischen ganzjährig. Für Europa war es aber im letzten Jahr ein neues Phänomen, als im Juni Starkstürme über den Kontinent hinwegfegten und grosse Hagelereignisse und Tornados auslösten. Darunter der Südmährische Tornado in der Tschechischen ­Republik, der 6 Menschen tötete und 200 weitere verletzte, was ihn zum tödlichsten Tornado in Europa seit 20 Jahren machte. Im Juli löste das Tiefdruckwettersystem Bernd in Deutschland, Belgien und den Niederlanden katastrophale Überschwemmungen aus, mit rund 200 Toten und enormen Hochwasserschäden. Insgesamt war 2021 das teuerste Jahr aller Zeiten für versicherte Schäden aus Naturkatastrophen in Deutschland.

Es folgten schwere Überschwemmungen nach einem «1000-jährigen Sturm» in Zentralchina, wo mehr als 300 Menschen starben. Andernorts wurden Temperaturrekorde gemessen, in Kanada mit 50° Celsius oder in Kalifornien mit 54,4° Celsius, begleitet von schweren Wald- oder Steppenbränden wie in Australien. Und auch Europa litt nach den Sturzfluten im Juli bis September einmal mehr unter einer extremen Hitzewelle.

Pandemien

Nach sechs Monaten gefühlter Ruhe sind viele Menschen zum Alltag übergegangen, die Pandemie scheint vergessen zu sein, von verschiedenen Stimmen als «Black Swan»-Ereignis bezeichnet. Die Omikron-Variante BA.1 hat uns aber bereits Ende 2021 gezeigt, dass pandemiebedingte Probleme noch lange nicht der Vergangenheit angehören, und die aktuell steigenden Zahlen deuten auch darauf hin, dass wir spätestens im Herbst 2022 mit einer neuen Welle rechnen müssen. Die Leistungsfähigkeit der Unternehmen wird auch 2022 aufgrund anhaltender Einschränkungen und potentieller Personalengpässe- bzw. -abwesenheiten reduziert bleiben. 

Die Pandemie hat neben dem Digitalisierungsschub und neuen Arbeitsmodellen gezeigt, dass der Mensch nach wie vor den grössten Einfluss auf unsere Geschäftskontinuität hat. Das Fehlen von gut ausgebildetem Personal war und ist der Knackpunkt bei vielen Firmen.

«Wer ein Risiko identifizieren und ­vermeiden möchte, muss sich zuerst Gedanken darüber machen, was ­darunter zu verstehen ist. Im wirtschaftlichen Kontext gilt Risiko meist als die Möglichkeit, dass bestimmte ­Faktoren vom ursprünglichen Zielwert abweichen.»

Die Top-Risiken in der Schweiz und für KMU

Für uns und unsere KMU-Kunden dürften vor allem die nachstehenden beiden Auswertungen aus dem Allianz Risk Barometer 2022 von Interesse sein. Sie weichen nur leicht von der globalen Gesamtbetrachtung ab. In beiden Aufstellungen decken sich die ersten zwei Plätze jedoch mit der Gesamtbetrachtung.

Aus reiner Schweizer Sicht werden die beiden Topplatzierten, Cyberrisiko und Betriebsunterbrechung, sogar noch deutlich höher gewichtet. Beim Cyberrisiko dürfte dies mit dem Digitalisierungsschub, dem Misstrauen gegenüber den neuen Prozessen und der Attraktivität des Finanzplatzes Schweiz zusammenhängen. Bei der Betriebsunterbrechung sind wir als hochpreisiger Dienstleistungs- und Produktionsstandort und als Land ohne grosse Rohstoffe von den Importen aus aller Welt abhängig.

Was bedeutet das für Sie?

Nehmen Sie diesen Bericht zum Anlass und überprüfen Sie Ihre Risikobeurteilung. Genehmigen Sie an der nächsten Verwaltungsratssitzung nicht nur die Risikoanalyse von anno dazumal, sondern denken Sie über den Tellerrand hinaus.

Variante 1

Wählen Sie aufgrund der vorstehenden Aufstellungen verschiedene Szenarien aus und listen Sie die Risiken auf.

Variante 2

Gehen Sie den klassischen Weg und beginnen Sie die Risikoidentifikation mit der sogenannten SWOT-Analyse (Strengths = Stärken, Weaknesses = Schwächen, Opportunities = Chancen, Threats = Gefahren). Setzen Sie sich mit den Schlüsselpersonen des Unternehmens in einem Workshop zusammen und analysieren Sie mithilfe der SWOT-Analyse die Chancen und Risiken. Das Ziel einer SWOT-Analyse ist, die wesentlichen internen und externen Faktoren zu identifizieren, welche einen Einfluss auf die Unternehmensentwicklung und den Unternehmenswert haben. Die Erkenntnisse aus dieser SWOT-Analyse und weitere interne und externe Informationen unterstützen Sie beim Aufbau des Risikoinventars für Ihre Firma.

Versuchen Sie die möglichen Konsequenzen für Ihr Unternehmen abzuschätzen, indem Sie sich die Fragen stellen: Was ist tolerierbar oder welches Risiko ist tragbar? Gliedern Sie dann das Risikoinventar nach Haupt- und Nebenrisiken.Legen Sie Ihren Fokus auf die Hauptrisiken und führen Sie für diese eine Risikobewertung durch. Dabei sollten Sie mindestens die beiden folgenden Dimensionen berücksichtigen:

Eintrittswahrscheinlichkeit: Das ist die Wahrscheinlichkeit, mit der das Risiko in einem Drei-Jahres-Rhythmus oder Ihrem strategischen Planungszyklus eintritt.

Auswirkung/Schadenspotenzial: Beschreibt meistens den finanziellen Effekt, den das Eintreffen eines Ereignisses haben kann. Bei nicht finanziell quantifizierbaren Risiken besteht auch die Möglichkeit einer qualitativen Beurteilung zum Beispiel nach Reputations-, Compliance-, Gesundheits- und Sicherheitsrisiko oder einem Wiederherstellungsaufwand seitens des Managements.

Verhindern, vermeiden oder versichern?

Nun sollten Sie sich die Massnahmen überlegen, mit denen Sie den einzelnen Risiken begegnen wollen. Normalerweise können Sie ein Risiko verhindern, vermeiden oder versichern oder eine Kombination aus den drei Möglichkeiten wählen.

Neben dem Risikoinventar mit den vorstehend beschriebenen Informationen zur Bewertung und zu den Massnahmen ist es üblich, die Risiken in einer Risikolandkarte zur besseren Übersicht grafisch darzustellen. Dabei werden die Risiken entsprechend ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit und dem Schadenpotenzial in einer Matrix gemäss beiliegendem Beispiel eingetragen. 

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