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Unternehmen neu gedacht  

«Alles muss sich ändern, damit es so bleibt, wie es ist.» Der italienische Schriftsteller Giuseppe Tomasi di Lampedusa legte diese Worte dem Oberhaupt des alten sizilianischen Adelshauses Salina, Don Fabrizio, in den Mund. Sie wurden zur bekanntesten Begründung für die Notwendigkeit des Wandels. Als Spross einer jahrhundertealten Familie musste Fabrizio mit ansehen, wie seine gesellschaftliche Position ins Wanken geriet. Bürgerliche hatten den Aufstieg geschafft und waren dort angekommen, wo seine Familie immer sass: Im Zentrum der Macht. Um dort zu bleiben, musste er sich anpassen, sich ändern. Konstant ist nichts im Leben, weder die eigene Persönlichkeit noch das eigene Geschäft, von den Bedingungen des Marktes ganz zu schweigen. Dass man sich den neuen Umständen anpassen muss, liegt auf der Hand. Wer klagt, er oder sie habe Schwierigkeiten mit dem Change, stösst auf leise Kritik: «Stell dich nicht so an, es war schon immer so.» Das ist zwar richtig, aber nicht besonders hilfreich.

Das Smartphone als Mass aller Dinge

Der Verweis auf die Konstante der Veränderung blendet zwei Dinge aus: die Geschwindigkeit und den Umfang des Wandels. Und um die Dinge komplizierter zu machen, ist ein grundlegender Wandel oft innerhalb kurzer Zeit notwendig. Etwas mehr als zehn Jahre sind vergangen, seit die ersten Smartphones auf den Markt kamen. Wie sie unsere Art und Weise zu kommunizieren verändert haben, ist gewaltig! Die Form, sich auszutauschen, ist eine völlig andere. Wer hätte sich je vorstellen können, dass man mit dem Smartphone ein Team leiten und sich von seinen Kunden permanent herumtreiben lassen kann. Nicht nur hat sich – durch Social Media beschleunigt – die gesellschaftliche Spaltung und Polarisierung verstärkt, es sind auch neue Bedürfnisse auf allen Seiten der Geschäftswelt entstanden. Kundinnen verlangen Antworten in Echtzeit und die Möglichkeit, Leistungen zu bewerten, und erwarten die Lieferung möglichst vor der Bestellung. Lieferanten wollen mit den Daten der Nutzer ihren Umsatz steigern. Dass sich hinter diesen neuen Ansprüchen grundlegende Veränderungen des Geschäftsprozesses verbergen, ist klar und wenig überraschend. Es braucht Apps und Online-Stores, und plötzlich sind Customer Journeys entscheidend für den Erfolg.

Von den neuen Ansprüchen, die Mitarbeitende an das Unternehmen stellen, haben wir noch gar nicht gesprochen. Und von den Zumutungen, denen manche Kader ihr Team aussetzen, wenn sie rund um die Uhr Anweisungen oder Anfragen versenden, auch nicht. Der Blick auf die Details verstellt nämlich jenen auf das Wesentliche: Der Wandel der letzten zwanzig Jahre ist bezüglich Geschwindigkeit und Ausmass atemberaubend, und ein Ende des Transformationsprozesses scheint nicht in Sicht. «Fast ein Vierteljahrhundert der Veränderung zerrt an den Nerven und ist ein Dauerstress, der seine Spuren hinterlässt.» Die dreissig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg erscheinen in der Rückschau als Zeit ohne grosse Veränderungen, was die Zeitzeugen von damals wohl entschieden bestreiten würden.

Im Rückblick eher gemächlich?

Vielleicht werden künftige Generationen die ersten zwanzig Jahre unseres Jahrhunderts aus gebührender Distanz ebenfalls als eher gemächlich beschreiben, weil sie noch viel mehr durchgeschüttelt werden. Jede Epoche ist mit ihren eigenen Anforderungen an den Wandel konfrontiert. Ein Rezept, damit umzugehen, hat niemand, ausser der Option, einfach weiterzumachen. 

Im Märchen «Alice im Wunderland» von Lewis Carroll rennt die Rote Königin mit der kleinen Alice an der Hand plötzlich los, schnell und immer schneller, doch sie bleiben an der gleichen Stelle. «In dem Land, aus dem ich komme, kommt man voran, wenn man rennt», sagt Alice. «Aus einem merkwürdigen Land kommst du», erwidert die Rote Königin.

Andreas Stettler und Oliver Klaffke

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