Ein «heisses Eisen»:Risiken im Recycling
Dass es höchste Zeit ist, achtsamer mit unseren Ressourcen umzugehen, dürfte mittlerweile allen klar sein. Die Abfallindustrie – und notabene auch der Abfall selbst – spielen in der Weltwirtschaft eine immer wichtigere Rolle. Dies einerseits wegen unseres gestiegenen Umweltbewusstseins, andererseits wegen der Verknappung der Rohstoffe. Daraus ist ein Wirtschaftszweig entstanden, der knapp 40 % des globalen Rohstoffbedarfs abdeckt und weltweit über 1.5 Mio. Mitarbeitende zählt. Seit geraumer Zeit ist in diesem bisher von kommunalen Betrieben geprägten Industriesektor eine Tendenz zur Privatisierung spürbar.
Häufige Schadenereignisse in Recyclingbetrieben
Bei der (Wieder-)Verwertung von Abfällen kommen viele Technologien und Verfahren zum Einsatz. Der gemeinsame – und gefährliche – Nenner ist die hohe Brandlast, d.h. die leichte Entzündbarkeit der Abfälle.
Berücksichtigt man weitere Risikofaktoren wie mangelhafte Organisation, ungenügend geschultes Personal und andere fehlende Schadensverhütungsmassnahmen, überrascht die Regelmässigkeit von Schadenfällen in Recyclingbetrieben kaum.
Aus der Art und Zusammensetzung des angelieferten Recyclingguts ergeben sich typische betriebliche, wirtschaftliche und materielle Risiken. Ich betone hier explizit, dass dies für die globale Recyclingindustrie gilt. Die in der Schweiz tätigen Recyclingbetriebe nehmen ihre Aufgaben sehr zuverlässig und umsichtig wahr.
Betriebliche Gefahren
Zu diesen zählen die oft fehlende oder unzureichende Wartung und Instandhaltung der Maschinen und Anlagen und mangelndes Bewusstsein der Betreiber für die betrieblichen Gefahren. Also vernachlässigen sie präventive Investitionen in den Brandschutz, aber auch die Sicherheit. Denn leider gehört Brandstiftung zu den häufigsten Brandursachen in Recyclingunternehmen, wobei die leichte Zugänglichkeit den Pyromanen in die Hände spielt. So fehlen vielerorts Zugangsbeschränkungen, Videoüberwachungen oder Sicherheitspersonal.
Wirtschaftliche Gefahren
Die durch einen Brand verursachten Schäden beschränken sich selten nur auf die Materialien, Gebäude und Maschinen. Die Kosten für deren Behebung können exorbitant hoch sein, insbesondere weil auch das eingesetzte Löschwasser häufig toxisch ist und im besten Fall aufgefangen, gereinigt und anschliessend entsorgt wird. Auch die Dekontamination des Bodens stellt die Verantwortlichen häufig vor grosse Probleme.
Als ob das nicht genug wäre, können Recyclingbetriebe nach einem Ereignis oft nicht oder nur unzureichend auf Ersatzanlagen ausweichen. Je nach Höhe der vertraglich definierten Mindestabnahmemengen drohen saftige Bussen. Zu deren Umgehung nehmen Betreiber mitunter erhebliche Mehrkosten für den Transport grosser Abfallmengen an andere Standorte in Kauf.
Nachdem die Brandstelle während längerer Zeit für Brandermittler und andere Untersuchungspersonen gesperrt war, geht es an den Wiederaufbau der Anlage. Dabei kann es vorkommen, dass die Behörden die Baubewilligung nicht oder erst nach langwierigen und kostenintensiven Einspracheverfahren gewähren. Sollte dem Betroffenen gar die Betriebsbewilligung entzogen worden sein, droht ihm ein neuerliches und ebenfalls zeitraubendes und teures Antragsverfahren zur (Wieder-)Erlangung der erforderlichen Lizenzen. Nicht zu unterschätzen sind nach einem Schadenfall auch die bis dahin in aller Regel vernachlässigten und nun massiv erhöhten Sicherheitsauflagen.
Materielle Gefahren
Eine Vielzahl von Recyclinganlagen bergen per se ausserordentliche Risiken. Die grossen Mengen an brennbaren Abfällen, aber auch die recycelten Materialien wie Papier, Karton, Textilien und Kunststoffe sind leicht brennbar. Sind sie z. B. mit Öl, Farben oder Lacken versetzt, können sie sich unter Umständen selbst entzünden. Auch von den Maschinen und Anlagen geht ein mannigfaltiges Gefahrenpotential aus.
Der Standort von Recyclingbetrieben spielt eine nicht unwesentliche Rolle. Sie befinden sich häufig in Gebäuden oder auf Geländen, die ursprünglich für ganz andere Produktionsprozesse ausgerichtet waren und deshalb nicht optimal geeignet sind. Die teilweise hohen Abfallberge erschweren die Brandbekämpfung zusätzlich, insbesondere dann, wenn sich der Brandherd im Inneren eines solchen befindet.
Machen Versicherer hier noch mit?
In der Vergangenheit schlossen Betreiber von Recyclinganlagen für die Deckung ihrer Risiken klassische Sachversicherungen ab. Zwischenzeitlich reichen derartige Konzepte nicht mehr aus, um die Auswirkungen eines Feuers und einer damit verbundenen Betriebsunterbrechung abzudecken. Eine Versicherungspolice, die nicht auf die besonderen Risiken eines Recyclingunternehmens zugeschnitten ist, birgt im Schadenfall grosses Potential für unangenehme Überraschungen.
Der Versicherer betrachtet im Rahmen der Tarifierung auch immer die maximal mögliche Schadensumme. Diese wird durch die erwähnten Vertragsstrafen, den Verlust der Betriebsgenehmigung oder die vorübergehende Nutzung einer externen Anlage in die Höhe getrieben. Auch Zusatzdeckungen für Aufräum- oder Dekontaminierungsarbeiten, behördliche Wiederaufbaubeschränkungen und Auflagen usw. treiben den maximal möglichen Schaden ins fast Unermessliche.
Aus diesen Gründen kämpfen Recyclingbetriebe einerseits mit sehr hohen Prämien, andererseits mit schmerzenden Selbstbehalten.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Recyclingindustrie von einer Vielzahl von Versicherern mittlerweile als «unerwünschtes Risiko» qualifiziert wird und deshalb nicht die «Qual der Wahl», sondern die «Wahl der Qual» gilt.
Somit bleibt die Hoffnung, dass sich alle Involvierten besinnen und eine zukunftsfähige und finanzierbare Lösung finden.