Eine Stiftung belebt Schloss Burgdorf

«Es ist ein Freudentag für die Stadt, ja für die ganze Region!» So äusserte sich Stefan Berger als Stadtpräsident von Burgdorf im Mai dieses Jahres überschwänglich, als Schloss Burgdorf nach Jahren der Irrungen und Wirrungen in völlig neuem Glanz der Bevölkerung zurückgegeben wurde. Die Rettung eines Wahrzeichens und die Entstehungsgeschichte einer breit abgestützten Trägerschaft.
Das um 1200 erbaute Schloss – ursprünglich ein Sichtbacksteinbau, der in alle Himmelsrichtungen knallrot leuchtete – war über mehr als 800 Jahre Sitz der Obrigkeit. Herzoge und Fürsten, Schultheissen und Statthalter herrschten dort über das gemeine Volk. Der Gang aufs Schloss war kein angenehmer. Man musste dorthin vor den Richter, den Statthalter, den Betreibungsbeamten, zur Polizei oder gar ins Gefängnis.
Dies dauerte bis 2012 – dann zog der Kanton mit seinen Stellen aus und eine grosse Leere ins Schloss ein. Die staatliche Präsenz endete nach mehr als 800 Jahren. Der Kanton als Eigentümer hatte nur eines im Sinn: das Schloss so rasch wie möglich loszuwerden. Alle Bemühungen, dieses zu verkaufen, scheiterten jedoch. Dies nicht zuletzt am hartnäckigen Widerstand der damaligen Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch. Sie wollte nicht akzeptieren, dass dieses Wahrzeichen von Stadt und Region einfach verscherbelt wird. Zäch initiierte einen Wettbewerb, der zum Ziel hatte, die Anlage nachhaltig zu nutzen und aus dem für die Menschen geschlossenen ein offenes Schloss zu machen. Gewonnen hat das innovative Burgdorfer Architekturbüro Atelier G&S. Dieses wollte nichts weniger als ein «Schloss für alle». Ein Hotel solle entstehen, ein Restaurant, ein modernes Museum sowie Seminarräume und ein Zeremonienlokal für Trauungen.
Wer soll das tun?
Die grosse Frage lautete, wer die Trägerschaft sein sollte. Die Stadt konnte sich ein solches Projekt unmöglich selber aufladen. Bald einmal war klar: Eine Stiftung kann das stemmen. Sie soll in einer ersten Phase der Umnutzung die umfangreichen Bauarbeiten im Rahmen von CHF 17,5 Millionen durchführen, danach als Vermieterin die Räumlichkeiten zur Verfügung stellen.
Die Nutzer wurden bereits in einer frühen Phase bestimmt. Ein Verein sollte das Museum betreiben, die Schweizerischen Jugendherbergen die Gastronomie und Hotellerie. Ebenfalls war klar: Die Übergänge zwischen den Nutzern werden fliessend ausgestaltet, die Projekte sich gegenseitig befruchten. Eine Museumsbesucherin soll im Restaurant noch etwas trinken, ein Hotelgast das Museum geniessen. Bald einmal war entschieden, dass die Räumlichkeiten des Hotels ebenfalls vom Museum bespielt werden. Die Seminar- und Gastronomieräume, aber auch jedes einzelne Hotelzimmer wurden zwischenzeitlich liebevoll mit Museumsexponaten ausgestattet.
Veritabler Kraftakt
Im Januar 2016 wurde die Stiftung gegründet. Stiftungsratspräsident Markus Meyer, ein «Baumensch» mit grosser Erfahrung in der Realisierung komplexer Infrastrukturvorhaben, erinnert sich: «Ich rechnete damals mit einer Dauer von rund zehn Jahren für die zu bewältigenden Arbeiten: von der Projektierung über die Planung, die Mittelbeschaffung, den Erhalt der nötigen Baubewilligungen und die tatsächliche Realisierung.» Meyer sollte sich täuschen. Gut vier Jahre später, im Mai 2020, konnte die Stiftung ein umsichtig renoviertes Schloss den Nutzern und der Bevölkerung übergeben. Wie war das möglich?
Professioneller Stiftungsrat
Markus Meyer beschreibt drei Hauptgründe. Zum einen habe da ein Stiftungsrat ehrenamtlich, aber hochprofessionell gewirkt, der hoch kompetente und ebenso engagierte Fachleute umfasste. Hervorragend unterstützt wurde dieser durch einen lokal bekannten und bestens vernetzten Geschäftsführer. Zum Zweiten verantwortete mit dem Atelier G&S ein lokal verankertes, kompetentes Büro die Planung und die Umsetzung. Zum Dritten haben Behörden, Unternehmungen, Anstösser und die Bevölkerung von Burgdorf bzw. der ganzen Region das Projekt nicht misstrauisch beäugt, sondern von Beginn weg konstruktiv vorangetrieben. «Zweimal haben wir innerhalb von weniger als vier Monaten eine Baubewilligung erhalten, dies ohne Widerstand von Anwohnern, ohne Einsprachen von Verbänden oder Behörden. Ich habe gar nicht mehr geglaubt, dass das überhaupt noch möglich ist», beschreibt Meyer die Bewilligungsphase.
Das Schloss soll leben!
Wie geht es nun weiter? Welches sind die kommenden Herausforderungen? Für Elisabeth Zäch, ehemalige Burgdorfer Stadtpräsidentin, jetzt Vizepräsidentin der Stiftung und Initiantin des Schlosses für alle, ist klar: «Jetzt müssen wir ein Angebot aufrechterhalten, das die Menschen begeistert. Sie sollen uns besuchen, hier tagen, übernachten, essen, heiraten, staunen und geniessen!» So sieht es auch Markus Meyer: «Die Investition ist nun gelungen. Jetzt müssen wir die Stiftung von der Bau- in die Betriebsphase überführen.» Es gelte, den Stiftungsrat entsprechend umzubauen, die Geschäftsführung neu auszurichten. Die Rolle der Stiftung bestehe nun darin, als Eigentümerin der Dachmarke «Schloss Burgdorf» und als Vermieterin zu agieren. Das sei Herausforderung genug, so Meyer.
Hervorragende Aufnahme
Die Chancen, dass dies gelingt, stehen gut. So, wie das Projekt im Vorfeld und während der Bauarbeiten Goodwill genoss, so gross ist nach der Eröffnung die Begeisterung in der Region. Die Unternehmerin Regula Gloor hat mit ihrer Gebrüder Gloor AG das Schloss freundschaftlich begleitet und auch finanziell unterstützt. Sie schwärmt: «Es ist genial geworden, ganz anders und viel besser, als ich mir das je vorgestellt hätte.» Regula Gloor ist nicht alleine mit dieser Einschätzung. Das Schloss erfreut die Burgdorferinnen und Burgdorfer und Menschen bis ins ganze Emmental und den Kanton.
Der Stiftungsratspräsident
Bewusst sei damals ein Präsident für die Stiftung gesucht worden, der von ausserhalb komme. «Markus Meyer war unser Wunschkandidat», so die damalige Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch. Sie sei glücklich gewesen, als er zugesagt habe, und sie habe sich nicht getäuscht. Meyer ist ein Baumensch von der Pike auf, dazu politisch erfahren und historisch interessiert. Als gelernter Maurer absolvierte er mit 26 die eidg. Matura, studierte Jura und doktorierte als Rechtsanwalt. Mehrere Jahre unterrichtete er das Fach Geschichte am Gymnasium des Feusi Bildungszentrum Bern.
Immer schon war er dem Bau verbunden, zuerst als Handwerker in der Baugrube, dann als Baujurist und schliesslich als professioneller Bauherr, Projektentwickler und Bauherrenbegleiter. Er realisierte komplexe Infrastrukturprojekte wie die Umnutzung von grossen Industriebrachen, den Bau von Heimen, Wohnbauten und Industrieanlagen. Während 20 Jahren führte Markus Meyer die Bracher und Partner Recht AG, einen Rechtsdienstleister mit Standorten in Bern, Biel und Langenthal.
Er wirkt heute als professioneller Verwaltungsrat und Berater bei der Bracher und Partner Recht AG, bei welcher er Verwaltungsratspräsident ist.
