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Unternehmen neu gedacht  

Die Bilder leer gekaufter Regale Toilettenpapier zu Beginn der Covid-19-Pandemie im Februar 2020 sind nach wie vor präsent: Nebst Pasta, Mehl und Hefe wurde vor allem WC-Papier gehamstert. Während damals die plötzlich gestiegene Nachfrage zu einem ­Engpass von Hygienepapier führte, traten im Frühjahr 2022 erneut Liefer­schwierigkeiten auf, diesmal jedoch infolge Rohstoffmangels bei der Produktion. Doch woher stammt das in der Schweiz verkaufte Toilettenpapier überhaupt und weshalb spielt die inländische Produktion nach wie vor eine wichtige Rolle?

Die Verbrauchsmenge von Hygienepapier ist eng mit dem Lebensstandard einer Gesellschaft verknüpft. Nur wo der Zugang zu sanitären Anlagen sichergestellt ist und die Wasserversorgung funktioniert, wird Toilettenpapier in grösseren Mengen verwendet; das trifft heute für rund drei Viertel der Weltbevölkerung zu. Wegen des unterschiedlichen Entwicklungsstands der Infrastruktur liegen einkommensstarke Länder beim Pro-Kopf-Verbrauch von Toilettenpapier vorne, während einkommensschwächere Länder mit tieferen Hygienestandards weniger konsumieren.

1. Hygienepapier – ein (fast) globalisierter Markt

Weltweit erreichte der Markt für Toilettenpapier 2022 ein Volumen von über CHF 90 Milliarden, wobei in China mit geschätzten CHF 64 Milliarden am meisten davon verbraucht wird. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch liegt weltweit bei ca. 11,15 kg. In der Schweiz lag das Marktvolumen 2022 bei knapp CHF 322 Millionen, wobei der/die durchschnittliche Schweizer:in pro Jahr ca. 22,30 kg Toilettenpapier verbraucht, was einem Pro-Kopf-Umsatz von CHF 105 entspricht. 

Zu den weltweit grössten Herstellern von Haushalt- und Hygienepapier gehören die börsenkotierten Firmen Essity AB (Schweden) mit einer Produktionsmenge von über 1 700 000 Tonnen pro Jahr, Kimberly-Clark Corp. mit etwa 770 000 Tonnen sowie die im Familienbesitz stehenden Gesellschaften Sofidel S.p.A. aus Italien (über 1 000 000 Tonnen) und die deutsche WEPA-Gruppe (ca. 600 000 Tonnen).

2. Produktion in der Schweiz

In der Schweiz wird noch an zwei Standorten Toiletten- und Haushaltpapier produziert: bei der Tela GmbH in Niederbipp BE und bei der Cartaseta AG in Gretzenbach SO. Die gesamte inländische Produktion an Hygienepapier betrug 2021 69 955 Tonnen, der grössere Teil der Nachfrage wird durch Importe aus dem Ausland gedeckt, die in der Vergleichsperiode 118 416 Tonnen umfassten. Die Herstellung von Hygienepapier ist rohstoff-, energie- und kapitalintensiv, was die Aufrechterhaltung einer inländischen Produktion zu einer grossen Herausforderung macht. Hingegen bietet sie auch einige Vorteile, die durch die günstigeren Herstellkosten im Ausland nicht vollständig wettgemacht werden.

Rohstoff Altpapier

Weltweit besteht der überwiegende Teil des Toilettenpapiers aus sogenannten Frischfasern (Cellulose). Für eine Tonne Hygienepapier müssen ca. 2,20 Tonnen Holz als Rohstoff eingesetzt werden; die gesamte Produktion von Papier und Karton beansprucht jährlich mehr als 13 Millionen Hektar Wald. Die Nachhaltigkeit dieses Rohstoffverbrauchs wird zu Recht in Frage gestellt. In der Schweiz steht dank der sehr guten Recyclingquote von Altpapier eine hochwertige Alternative für Frischfasern zur Verfügung; über 90% der benötigten Faserstoffe für die inländische Papierproduktion werden aus Altpapier und rezykliertem Karton gewonnen! Aufgrund der unterschiedlichen Faserlängen eignet sich jedoch nur Altpapier für die Herstellung von Toilettenpapier. Die hohe Sammelrate und grundsätzlich hohe Verfügbarkeit von Altpapier führt bei der Tela GmbH in Niederbipp zu einem wichtigen Standortvorteil. Dank deren eigenen Altpapieraufbereitung und je nach Verfügbarkeit von rezykliertem Zellstoff kann der Anteil an Frischfasern am produzierten Haushalts- und Toilettenpapier vollständig substituiert werden. Das in der Schweiz hergestellte Hygienepapier besteht somit zu 100% aus nachhaltig produzierten Recyclingfasern.

Transport

Haushalts- und Toilettenpapier ist ein Konsumgut mit grossem Volumen bei gleichzeitig geringem Warenwert, womit die Transportkosten den Endpreis überproportional beeinflussen. Dies ist der Hauptgrund, weshalb in der Schweiz trotz hoher Nachfrage – jährlich 1,2 Milliarden Rollen Toilettenpapier – nur ca. 2% online bestellt werden. Somit wird Hygienepapier nach wie vor überwiegend im stationären Handel verkauft, was eine entsprechende Transportlogistik ab Produktion bzw. Herstelllager bedarf. Es ist davon auszugehen, dass die Kostenbelastung im Strassentransport 2023 erneut um mindestens 5% ansteigen wird, vor allem bedingt durch die Zunahme der Personal-, Energie- und Lagerkosten sowie durch den Preisanstieg bei den Paletten. Transportwege von über 500 Kilometer lohnen sich nicht. Das ist einer der Kostenvorteile der einheimischen Produktion.

Ver- und Entsorgungssicherheit

Die Versorgungssicherheit bei der Herstellung von Hygienepapier bedingt einerseits die kontinuierliche Zuführung von Rohstoffen, Energie in der Form von Strom, Gas oder Wärme sowie Wasser. Andererseits hängt die Entsorgungssicherheit von der möglichst produktionsnahen Verwertung der anfallenden Abfälle ab.

Die Zuverlässigkeit der entsprechenden Infrastrukturanlagen in der Schweiz gewährleistet grundsätzlich die permanente Versorgung mit Energie unter normalen Bedingungen. Mit Kurz- oder längerfristigen Produktionsausfällen ist nur in Mangel- oder Notlagen zu rechnen. Das für die Herstellung benötigte Wasser stammt bei der Tela GmbH wie auch der Cartaseta AG über konzessionierte Entnahmestellen aus dem Grundwasser und steht deshalb ebenfalls mit hoher Sicherheit zur Verfügung. Ebenso zentral ist ein umweltverträgliches Verfahren für die Abwasserbeseitigung, die bei der Tela GmbH beispielsweise durch eine eigene Kläranlage sichergestellt ist. Im Rahmen einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit (Public Private Partnership) mit der Einwohnergemeinde Niederbipp wird nebst der industriellen auch ein Teil der kommunalen Abwässer in der Tela-Anlage behandelt. Die bei der Produktion und der Altpapieraufbereitung anfallenden Reststoffe können in der betriebseigenen Verbrennungsanlage zur teilweisen Deckung des Energiebedarfs verwendet werden. Dank der inländischen Ver- und Entsorgungssicherheit wird also der Wertstoffkreislauf optimiert und eine nachhaltige, umweltgerechte Produktion sichergestellt. Ein weiterer Wettbewerbsvorteil gegenüber der ausländischen Produktion. 

1 Alle statistischen Angaben finden sich unter: https://de.statista.com/­outlook/cmo/haushalts-hygienepapier/schweiz?currency=CHF.

2 Vgl. Jahresbericht 2021 des Verbands Schweizerischer Papier-, Karton- und Folienhersteller (SPKF), S. 11 f. (https://spkf.ch/wp-content/uploads/2022/06/SPKF-Jahresbericht-2021.pdf).

3 Vgl. Medienmitteilung Transportkosten 2023 des Schweizerischen Nutzfahrzeugverbands ASTAG (https://www.astag.ch/aktuell/220621-mm-transportkosten-d/).

4 Vgl. https://tela-cartaseta.ch/nachhaltigkeit.

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