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Unternehmen neu gedacht  
Karusell von unten betrachtet

Es gibt nichts, das nicht weggeworfen wird. Oder zumindest weggegeben, wenn es nicht mehr gebraucht wird. Lebensmittel sogar bevor sie gebraucht werden. Aber lassen wir das. Hier geht es um alles, was verbraucht, verarbeitet, verleidet, leer, kaputt, überflüssig oder einfach unerwünscht ist. Und das ist viel. Emotional betrachtet ein leidiges Thema, nüchtern betrachtet ein gutes – und legitimes – Geschäft. Wir stellen drei Unternehmen in der Region Olten vor, die bei Bedarf auch Hand in Hand arbeiten. Zuerst kommt die Räumung.

2012 hatte Rico Peter den Auftrag, in Balsthal ein Haushaltwarengeschäft zu liquidieren. Er gründete kurzerhand den gemeinnützigen Verein ELHANDEL, was ganz einfach «ELektronischer HANDEL» bedeutet. Die Sozialfirma räumt im Auftrag von Privatpersonen, Beiständ:innen, Immobilienverwaltungen und Firmen Wohnungen, Häuser und Geschäftsliegenschaften. Was nicht entsorgt werden muss, verkauft das Team direkt an Private, Sammler und Händler, verschenkt an Bedürftige oder versteigert es über ricardo.ch – daher der Name. So wird Ungebrauchtes wieder zu Gebrauchtem. Echten Abfall, Altmetall und Altöl, Gefahrgüter, Textilien, Spraydosen, Farbe, Elektroschrott wird von professionellen Partnern entsorgt oder rezykliert. Es müssen aber nicht gleich Totalräumungen sein; ein einzelnes Fahrrad, eine Kiste Bücher, ein Kofferraum mit Nippes tun es auch. Die Sachen müssen in einigermassen gutem Zustand und funktionstüchtig, zumindest aber reparierbar sein. Die Verkäuferin erhält auf Wunsch den Erlös nach Abzug einer Provision, kann aber auch gänzlich darauf verzichten und diesen Goodwill als Spende an den Verein deklarieren.

Durch die Einnahmen solcher Verkäufe finanziert ELHANDEL eine einfache Infrastruktur und einen leistungsgerechten Stundenlohn für Menschen, die aus psychischen oder gesundheitlichen Gründen nicht mehr einer geregelten Arbeit nachgehen können und auf Ersatzeinkommen (Sozialhilfe, IV) angewiesen sind. Im Zentrum steht aber nicht der Lohn, sondern die Teilhabe an einer sinnstiftenden Arbeit und Gemeinschaft. Durch individuelle Sozialberatung und Unterstützung bei der Stellensuche begleitet ELHANDEL die Teilnehmenden schliesslich in den Arbeitsmarkt und in die Unabhängigkeit. Es mag etwas zynisch klingen, aber auch das ist Kreislauf und gibt den Betroffenen neue Perspektiven.

Zweite Stufe: Transport und Triage

Was ELHANDEL nicht selber fährt – das sind sowieso nur Kleinmengen – übernimmt Ripp-stein Transport AG. Seit 1844 und heute in der sechsten Generation ist das Familienunternehmen in der Logistik tätig. «Transport» ist ein weiter Begriff, Auftragsfahrten von A nach B mittlerweile nur eines von mehreren Standbeinen. Zum Beispiel das Muldengeschäft, das gerade von ELHANDEL bei grösseren Hausräumungen in Anspruch genommen wird. Dabei ist die Mulde an und für sich nur ein «Behältnis». Was mit deren Inhalt passiert, ist viel wichtiger. Dieser wird nämlich im eigenen Recycling-Center sortiert und wiederum anderen Abnehmern und Spezialisten zugeführt. Altmetall wird u.a. von Swiss Steel oder von Roll eingeschmolzen und fliesst in die Produktion; Altholz wird für thermische Prozesse oder die Produktion von Spanplatten und Pellets verwendet; Styropor wird schlussendlich wieder zu Styropor; Korkzapfen werden im Center abgeholt und beispielsweise zu Isolationsmaterial für die Baubranche verarbeitet; aus PET wird PET wird PET wird PET … und nach Farbe getrenntes Glas wird übrigens nicht einfach wieder gemischt – das ist ein Ammenmärchen. Und Strassenwischgut (auch Strassenschlamm)? Sogar das wird wiederverwendet, und zwar als Recyclingsand und -split in der Bauzementindustrie, während das Laub für die Aufrechterhaltung von thermischen Prozessen in die Kartonproduktion geht.

Was bei allen Regeln der Kunst nicht anderweitig verwertet werden kann, wird auf einer Deponie permanent entsorgt. Und auch so eine gehört zur Infrastruktur von Rippstein. Die als «Inertstoffe» bezeichneten Materialien gelten in der Oekologie und im Entsorgungsrecht als Abfall, der keinen wesentlichen physikalischen, chemischen oder biologischen Veränderungen unterliegt. Inertabfälle lösen sich nicht auf, sind nicht brennbar und bauen sich nicht biologisch ab. Diese Deponietätigkeit, wie überhaupt das ganze Recycling der Firma Rippstein, werden von Bund und Kanton streng reguliert und kontrolliert. Ausserdem sind die Mitarbeitenden auf ihrem Fachgebiet geschult und zertifiziert.

Dritte Stufe: Die fachgerechte Entsorgung

Was 1969 als Sammel- und Verwertungsstelle von Altöl – Nomen est omen – begann, wurde zu einem schweizweit führenden Kompetenzzentrum für Sonderabfälle. Wer sich vor 55 Jahren die Finger mit stinkenden, öligen und giftigen Abfällen schmutzig machte, musste schon ein Idealist sein. Heute entwickelt sich die Branche infolge innovativer Technologien und neuer Lösungsansätze immer mehr zum Hightech-Sektor. Auch die Altola AG hat sich über Jahrzehnte immer weiter spezialisiert, ihre Anlagen und Verfahren verfeinert. Bereits 1996 erhielt sie als erstes Entsorgungsunternehmen der Schweiz das ISO-14001 (Umwelt)Zertifikat und kann heute alle massgeblichen Zertifizierungen und Qualitätsmanagement-Systeme vorweisen. Diesen erheblichen organisatorischen und administrativen Aufwand leistet Altola gerne, weil gerade der Umgang mit Gefahrgut und Sonderabfällen Risiken birgt. Je konsequenter nach QMS vorgegangen wird, desto geringer die Risiken und desto besser das (Unternehmens)Ergebnis.

Wie entsorgt man einen ausgestopften Bären? Oder ein in Formaldehyd konserviertes Kalb? Natürlich sind solche Anfragen nicht Alltag bei der Altola AG, aber immerhin schon mal vorgekommen. Einmal rief ein Kunde an, bei ihm laufe Salzsäure aus einem Container. Dann war schnelles Handeln gefragt! Das Stofffluss-Team, die wichtigste Drehscheibe zwischen Verkauf, Betrieb, Labor und Dispo, hat schon alles gesehen – oder meint es zumindest, bis dann wieder etwas Noch-nie-Dagewesenes daherkommt. Während die Altola-Verkaufsequipe im ganzen Land Abfälle akquiriert, stellt man sich hier die Fragen: Wohin damit? Kann Altola das Material selber verarbeiten? Braucht es ein Muster und davon allenfalls eine Analyse im eigenen Labor? Soll das Abfallgut gleich direkt zu einem noch spezialisierteren Entsorgungspartner gebracht werden? Reichen die Angaben des Kunden aus oder braucht es mehr? Das «Bohren» wird zuweilen als penetrant empfunden, aber die eigenen Standards und die gesetzlichen Vorschriften gebieten es halt.

Weil die Welt immer mehr neue Materialien entwickelt, die Kreislaufwirtschaft gefördert und die Branche immer stärker reguliert wird, sind auch neue Wege gefragt. Diese hat das Stofffluss-Team von Altola noch immer gefunden.

Aus- und Weiterbildung

Die Entsorgungs- und Kreislaufwirtschaft ist keine Wohltätigkeitsveranstaltung. Das muss sie auch nicht sein, denn jede Nachfrage – und diese ist im Fall der steigenden Umweltrisiken unbestritten – generiert ein Angebot. Nicht alle unsere Probleme lassen sich nur mit Technologie aus der Welt schaffen, aber sie lassen sich lindern. Die Entsorgungsbranche braucht also nebst anderem auch technologischen Fortschritt und die dafür ausgebildeten Leute. Das Aus- und Weiterbildungsangebot von Firmen über Verbände bis zu (Fach)Hochschulen ist erstaunlich. Recyclistin EFZ, CAS Recycling und Entsorgung, Rohstoffaufbereiter, CAS Altlastenbearbeitung UNIBE, Grundlagenkurs kommunale Abfallbewirtschaftung – nur einige Beispiele, die zeigen, wie dynamisch sich die Branche entwickelt, neue Berufe und somit Arbeitsplätze schafft und dabei das Beste macht aus dem, was wir Menschen hinterlassen.

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