Freiheit für alle – auch im Web

Digitale Barrierefreiheit bedeutet, Websites, Apps und digitale Dokumente so zu gestalten, dass sie auch für Menschen mit körperlichen oder kognitiven Einschränkungen nutzbar sind. Ab 28. Juni 2025 treten in Deutschland und der gesamten EU neue Regelungen in Kraft. Die gesetzliche Grundlage ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Es setzt die Web Accessability Directive (WAD, in der EU seit 2016 verpflichtend) sowie den European Accessibility Act (EAA, ab 28. Juni 2025 in der EU verbindlich) in nationales Recht um.
Die Schweiz hinkt wieder mal hinterher – doch nicht mehr lange.
Am 28. März 2025 hat die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats (WBK-N) ohne Gegenstimme beschlossen, auf die Teilrevision des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) einzutreten. Damit wird das Konzept der «angemessenen Vorkehrungen» eingeführt: Anbieter von Dienstleistungen werden verpflichtet, zumutbare Massnahmen zu ergreifen, um Benachteiligungen zu verhindern, zu verringern oder zu beseitigen. Alle Menschen sollen gleichberechtigt an der digitalen Welt teilhaben können.
Wer ist betroffen?
Der Bundesrat plant, das revidierte BehiG am 1. Januar 2027 in Kraft zu setzen. Für viele Schweizer Unternehmen bedeutet dies, dass sie etwa eineinhalb Jahre Zeit haben, sich auf die neuen Anforderungen vorzubereiten. Unternehmen mit Sitz in der Schweiz jedoch, die in der EU geschäften, müssen bereits ab Mitte 2025 sicherstellen, dass ihre Websites und digitalen Angebote barrierefrei sind. Ausgenommen sind Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten und einem Jahresumsatz unter zwei Millionen Euro. Öffentliche Einrichtungen sind bereits seit 2020 zur Barrierefreiheit verpflichtet.
Die Regelung gilt für Websites, Online-Shops, Apps, Bank- und Telekommunikationsdienste, Ticketbuchungen, E-Books und Video-on-Demand-Plattformen. Das betrifft jedoch nur digitale Dienstleistungen, nicht digitale Produkte.
«Digitale Barrierefreiheit kann nicht installiert werden. Barrierefreiheit ist ein Prozess.»
Tobias und Oliver Greiner, Christian Schmidt und Eric Braun, Web Inclusion GmbH
Was sind die Anforderungen?
Websites und Apps müssen so gestaltet sein, dass sie für alle Menschen zugänglich sind. Besonders für Menschen mit Seh-, Hör-, motorischen oder kognitiven Einschränkungen. Die technischen Standards orientieren sich an den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), mindestens in der Version 2.1, Konformitätsstufen A und AA. Die europäische Norm EN 301 549 ist ebenfalls massgebend und konkretisiert die Anforderungen an digitale Barrierefreiheit.
Konkret bedeutet das: Inhalte müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein (WCAG-Prinzipien). Das können Alternativtexte für Bilder, ausreichende Kontraste, vollständige Tastaturbedienbarkeit, Untertitel für Videos, klare Navigation und einfache Sprache sein. Auch mobile Anwendungen sind einbezogen.
Fristen und Übergangsregelungen
Ab dem 28. Juni 2025 gilt die Pflicht für neue Inhalte und Angebote. Für die Anpassung von bestehenden Inhalten gilt eine Übergangsfrist bis Mitte 2030. Unternehmen sollten ausreichend Zeit für die Umsetzung einplanen, da die Anpassung umfangreicher Websites mehrere Monate dauern kann.
Kontrolle und Sanktionen in der EU
Die Einhaltung wird von Marktüberwachungsbehörden kontrolliert. Bei Verstössen drohen Bussgelder von bis zu 100.000 Euro, die vorübergehende Einstellung des Geschäftsbetriebs oder Abmahnungen.
Was bedeutet das für Unternehmen in der Schweiz?
In der Schweiz ist der eCH-0059 Accessibility Standard verbindlich, der auf den international anerkannten WCAG 2.1(s. oben) basiert. Auch Schweizer Unternehmen, die in der EU tätig sind, müssen sich an diese Regeln halten. Kleine Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitenden sind teilweise ausgenommen, doch für viele Firmen heisst es:
- Prüfen Sie, ob Sie betroffen sind
Nicht jedes Unternehmen ist verpflichtet, die Anforderungen zu erfüllen. Wir empfehlen Ihnen, dies in Rücksprache mit Ihrem Anwalt zu klären. - Selbsttest: Ist Ihre Website barrierefrei?
Grundsätzlich sind die meisten eingesetzten Technologien wie Web-CMS, Newsletter-Tools und Social Media schon sehr weit, vor allem die amerikanischen Open-Source-Systeme. Bei der Konzeption und Gestaltung sind Buttons für Hilfe, leichte Sprache sowie Skalierung der Schriftgrösse zu berücksichtigen. Ein Problem der konsequenten Umsetzung liegt jedoch beim Unterhalt der Website. So sind zum Beispiel ab Sommer 2025 ALT-Texte und inhaltliche Beschriebe von Bildern zwingend zu ergänzen. Integrierte PDF- und Word-Dokumente sind grosse Herausforderungen, deshalb wenn immer möglich HTML-Seiten erzeugen. Third-Party-Produkte wie digitale Web-Kataloge auf PDF-Basis und IFrames sind eher schwierig und können zu Browser-Crashes führen. Ein erster Selbsttest nach WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) oder der BITV (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung) zeigt Ihnen, ob Handlungsbedarf besteht. - Umsetzung: Massnahmen ableiten und anpassen
Wenn Ihr Selbsttest Barrieren aufzeigt, sind gezielte Verbesserungen wichtig. Deshalb haben wir frühzeitig Tools und Massnahmen identifiziert. So können Sie die möglichst automatisierte Pflege der Webtools bei der Erstellung und im laufenden Betrieb gewährleisten. Wir helfen Ihnen dabei, die nötigen Anpassungen umzusetzen und Ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten – abgestimmt auf Ihre individuellen Anforderungen und rechtlichen Rahmenbedingungen. - Barrierefreiheitserklärung erstellen
Falls Ihr Unternehmen unter die BFSG-Pflicht fällt, müssen Sie eine Barrierefreiheitserklärung verfassen und auf Ihrer Website bereitstellen. Diese informiert Besucher über den Stand der Barrierefreiheit und die Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme bei Problemen. Auch hier sollten Sie Rücksprache mit Ihrem Rechtsbeistand halten.
Welche Unterschiede gibt es zwischen den Barrierefreiheitsvorgaben in der EU und der Schweiz
Die EU verfolgt einen deutlich strengeren und verbindlichen Ansatz zur digitalen Barrierefreiheit als die Schweiz. Schweizer Unternehmen, die im EU-Markt tätig sind, müssen die EU-Vorgaben zwingend einhalten. Für den rein schweizerischen Markt bleibt Barrierefreiheit im Privatsektor bislang weitgehend freiwillig, der Trend geht jedoch auch dort in Richtung mehr Inklusion.
Aspekt | EU (ab 2025) | Schweiz (Stand 2025) |
---|---|---|
Gesetzliche Pflicht | Ja, umfassend für viele Unternehmen | Nein, meist freiwillig (ausser öff entlicher Sektor) |
Anwendungsbereich | Privat & öffentlich, inkl. Schweizer Firmen mit EU-Geschäft | Nur für öffentliche Stellen, sonst freiwillig |
Technische Standards | WCAG 2.1, EN 301 549 | eCH-0059 |
Kontrolle/Sanktionen | Audits, Bussgelder bis 100.000 € | Kaum Kontrolle, keine Bussgelder |
Übergangsfristen | Bis 2030 für bestehende Angebote | Keine gesetzlichen Fristen |
Zusammenarbeit mit Procap Schweiz

Wir wollen unsere Kunden bei diesem Thema optimal unterstützen. Deshalb haben wir uns an die Procap Schweiz gewendet. Sie ist quasi vor unserer Haustüre in Olten zuhause. Mit ihrem Claim «Es ist Zeit für eine Gesellschaft, die niemanden ausschliesst», setzt sich der Verband konsequent für die Umsetzung der Barrierefreiheit ein. Gemeinsam haben wir unsere Lösung für Barrierefreiheit im Web erarbeitet.