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Unternehmen neu gedacht  

Mit der Veröffentlichung der neuen Incoterms 2024 durch die Internationale Handelskammer (ICC) stehen Unternehmen erneut vor der Herausforderung, sich mit den Regeln des internationalen Handels auseinanderzusetzen. Für Schweizer KMU, die eine Schlüsselrolle in der Import-/Exportwirtschaft unseres Landes spielen, sind diese Regeln von besonderer Bedeutung. Die als Incoterms bezeichneten International Commercial Terms sind verbindliche Klauseln, die den internationalen Handel strukturieren und wesentliche Fragen zu Transportkosten, Risiken und Verantwortlichkeiten zwischen Käufer und Verkäufer klären.

Incoterms sind standardisierte, international anerkannte Handelsklauseln, die die Verpflichtungen von Käufern und Verkäufern im internationalen Warenverkehr regeln. Sie definieren, wer für den Transport, die Versicherung, die Zölle und das Transportrisiko verantwortlich ist. Diese Regelungen sind entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden, die den Handel verlangsamen oder teure Rechtsstreitigkeiten verursachen können.

Was ändert sich 2024?

Die Incoterms 2024 sind ein Update, das aktuelle Entwicklungen im internationalen Handel aufgreift. Insbesondere Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und die Rolle von Zolldokumenten in einer zunehmend globalisierten und digitalen Welt wurden in den neuen Regelungen stärker berücksichtigt.

  1. Nachhaltigkeit

Die Änderungen und Präzisierungen zur Stärkung umweltfreundlicher Lieferketten sind eine Möglichkeit für Unternehmen, Nachhaltigkeit aktiv in ihre Verhandlungen einzubeziehen.

  • Transportwahl: Unternehmen können bei der Verhandlung der Incoterms gezielt auf umweltfreundlichere Transportmethoden setzen. Dies ist besonders bei Klauseln wie FCA (Free Carrier) oder DAP (Delivered at Place) relevant, wo Käufer und Verkäufer die Transportmodalitäten verhandeln können.
  • Umweltzertifikate: Die Incoterms 2024 ermöglichen es, Zertifikate und Standards für umweltfreundliche Lieferketten (z.B. CO2-neutraler Transport) in die Handelsverträge aufzunehmen, was Unternehmen dabei unterstützt, ihre nachhaltigen Praktiken formell festzuhalten.

2. Digitalisierung

Die Präzisierungen bei der Dokumentenabwicklung und dem Datenaustausch zielen darauf ab, den Prozess effizienter und weniger anfällig für Fehler und Missverständnisse zu gestalten.

  • Elektronische Dokumentation: Die Incoterms 2024 ermöglichen ausdrücklich die Verwendung von elektronischen Transport- und Zolldokumenten anstelle von Papierdokumenten, sofern dies zwischen den Vertragsparteien vereinbart wurde und von den jeweiligen Behörden anerkannt wird. Das beschleunigt die Zollabfertigung und den Transport erheblich.
  • Echtzeitdaten: Die neue Regelung ermutigt Unternehmen, digitale Plattformen zu nutzen, um Informationen wie Versandstatus, Zollfreigaben und Risikobewertungen in Echtzeit zu teilen.

3. Rolle von Zolldokumenten

Die Rolle der Zolldokumente wurde weiter präzisiert, um den sich ändernden Anforderungen des globalen Handels gerecht zu werden.

  • Verantwortlichkeiten bei der Zollabwicklung: Die Trennung von Pflichten bei der Zollabfertigung und Dokumentenbereitstellung zwischen Verkäufer und Käufer sind nun noch klarer geregelt. Dies betrifft insbesondere Klauseln wie DAP (Delivered at Place), bei denen der Verkäufer dafür verantwortlich ist, die Ware bis zum Bestimmungsort zu liefern, ohne die Einfuhrzollabfertigung zu übernehmen.
  • Vereinfachung der Zollprozesse: Die Incoterms 2024 berücksichtigen auch die Möglichkeit, vereinfachte Zollverfahren zu nutzen, insbesondere in Ländern, die auf digitale Prozesse umstellen. Dies bietet Schweizer KMU die Chance, von schnelleren und effizienteren Zollabfertigungen zu profitieren, vor allem wenn elektronische Zolldokumente verwendet werden.

Relevanz für Schweizer KMU

Schweizer KMU stehen aufgrund der geografischen Lage und der Offenheit der Schweizer Wirtschaft häufig im Zentrum internationaler Handelsbeziehungen. Ob Maschinenbauer, Lebensmittelhersteller oder Dienstleister: Viele kleine und mittlere Unternehmen in der Schweiz sind stark in den europäischen und globalen Märkten aktiv.

Zu den wichtigsten Aspekten der Incoterms 2024 zählen:

  1. Klarheit über Verantwortlichkeiten: Die neuen Regelungen schaffen noch mehr Transparenz darüber, wann und wo das Risiko für die Ware vom Verkäufer auf den Käufer übergeht. Dies ist entscheidend, um Missverständnisse bei der Übergabe zu vermeiden.
  2. Kostenverteilung: Gerade für KMU, die häufig mit engen Margen arbeiten, ist es wichtig, die Transportkosten klar zuzuordnen. Die Incoterms 2024 helfen dabei, präzise festzulegen, wer für welche Kosten während des gesamten Lieferprozesses verantwortlich ist.
  3. Nachhaltigkeit und Logistik: Das Thema Nachhaltigkeit spielt im internationalen Handel eine immer wichtigere Rolle. Die Incoterms 2024 legen hier besonderen Fokus auf umweltfreundliche Transportoptionen und deren Verhandlungen zwischen Käufer und Verkäufer. KMU, die sich in der Schweiz zunehmend als nachhaltige Unternehmen positionieren wollen, können dies auch durch die Wahl der richtigen Incoterms unterstützen.
  4. Digitalisierung und Dokumentation: Die zunehmende Digitalisierung im Handel, insbesondere in den Bereichen Zoll und Logistik, findet ebenfalls ihren Niederschlag in den Incoterms 2024. Für Schweizer KMU, die digitale Tools in der Handelslogistik einsetzen, erleichtert dies die Abwicklung der grenzüberschreitenden Geschäfte.

Export-Unternehmen: Risiken minimieren, Effizienz steigern

Für Schweizer KMU sind die Incoterms 2024 mehr als nur eine Formalität. Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung des Exports für die Schweiz – insbesondere für KMU – sind die Incoterms ein unverzichtbares Werkzeug für ihren Erfolg auf internationalen Märkten.
Für Schweizer Export-Unternehmen gibt es nicht den „einen“ Incoterm. Vielmehr hängt die Wahl von den individuellen Geschäftsanforderungen, den Transportwegen, den Kundenanforderungen, der Risikobereitschaft und den jeweiligen Produkten ab. Die Incoterms, die sich besonders für Schweizer Export-Unternehmen empfehlen:

  1. FCA (Free Carrier)
    Empfohlen für Exporteure, die Kontrolle über den ersten Transportabschnitt behalten wollen, aber das Risiko schnell an den Käufer abgeben möchten.
  • Beispiel: Ein Schweizer Maschinenbauer verkauft seine Produkte in die EU und übergibt die Ware an einen Spediteur in der Schweiz.
  • Vorteile: Der Verkäufer ist verantwortlich, die Ware an einen vereinbarten Ort (z.B. ein Speditionslager oder einen Frachthafen) zu liefern. Das Risiko geht auf den Käufer über, sobald die Ware dem Spediteur übergeben wird. Dies gibt dem Exporteur die Sicherheit, die Ware bis zu einem bestimmten Punkt zu kontrollieren, ohne die Risiken für den internationalen Transport zu tragen.
  • Empfehlung: Dieser Incoterm eignet sich besonders gut für Schweizer Exporteure, die in Länder mit gut ausgebauten Logistiknetzen liefern, wie etwa die EU, und die den Transport bis zum Verladeort organisieren, aber nicht das Risiko über weite Strecken tragen möchten.
  1. DAP (Delivered at Place)
    Empfohlen für Exporteure, die einen umfassenden Service bieten und die Ware bis zum Zielort des Käufers transportieren, aber die Einfuhrzollabfertigung nicht übernehmen wollen.
  • Beispiel: Ein Schweizer KMU exportiert Uhren nach Asien und organisiert die Lieferung direkt zum Lager des Käufers in Singapur.
  • Vorteile: Der Verkäufer trägt die Transportkosten und das Risiko bis zum Bestimmungsort. Dies ist ideal für Exporteure, die den gesamten Transportprozess kontrollieren wollen und dem Käufer eine reibungslose Abwicklung bieten möchten. Der Käufer muss sich jedoch um die Einfuhrzollabfertigung und die Zahlung der Zölle kümmern.
  • Empfehlung: DAP ist eine gute Wahl für Exporteure, die ihren Kunden einen umfassenden Lieferdienst bieten möchten, ohne sich um lokale Zollformalitäten kümmern zu müssen.
  1. CIP (Carriage and Insurance Paid To)
    Empfohlen für Exporteure, die ihren Kunden nicht nur den Transport, sondern auch eine Versicherung bis zum Bestimmungsort anbieten möchten.
  • Beispiel: Ein Schweizer Pharmaunternehmen exportiert Medikamente nach Lateinamerika und möchte den Transport und die Versicherung bis zum Hafen in Brasilien abdecken.
  • Vorteile: Der Verkäufer organisiert und bezahlt sowohl den Transport als auch die Versicherung der Ware bis zum vereinbarten Bestimmungsort. Dies bietet dem Käufer zusätzliche Sicherheit, da die Ware während des Transports bis zum Ziel versichert ist.
  • Empfehlung: CIP ist ideal für Exporteure, die wertvolle oder sensible Waren exportieren, bei denen der Käufer auf zusätzliche Absicherung während des Transports besteht. Da die Versicherung auf Seiten des Verkäufers abgeschlossen wird, bietet dieser Incoterm dem Käufer zusätzliche Sicherheit.
  1. EXW (Ex Works)
    Empfohlen für Exporteure, die das Risiko und die Kosten des Transports vollständig auf den Käufer übertragen möchten.
  • Beispiel: Ein Schweizer Hersteller von Präzisionswerkzeugen verkauft seine Produkte an ein Unternehmen in den USA. Der Käufer organisiert den gesamten Transport von der Fabrik des Verkäufers.
  • Vorteile: Der Verkäufer ist nur dafür verantwortlich, die Ware für die Abholung bereitzustellen. Der Käufer übernimmt sämtliche Transportkosten, Versicherungen und Risiken ab dem Moment, in dem die Ware das Werk des Verkäufers verlässt.
  • Empfehlung: EXW ist besonders nützlich für Exporteure, die die gesamte Logistik und Zollabwicklung dem Käufer überlassen möchten. Allerdings kann dies für den Käufer eine Herausforderung darstellen, wenn er nicht mit den Exportregularien in der Schweiz vertraut ist.

Fazit: Der richtige Incoterm ist entscheidend

Im Allgemeinen können sich FCA und CIP als attraktive Optionen erweisen, da sie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Risikoübertragung und Kontrolle bieten. DAP ist für Unternehmen interessant, die ihren Kunden einen vollständigen Transportservice anbieten möchten, während EXW für Exporteure sinnvoll ist, die sämtliche Transportpflichten dem Käufer überlassen möchten. Schweizer KMU sollten ihre Wahl auf Basis einer genauen Analyse der Handelsbeziehungen und der Exportbedingungen treffen, um den optimalen Incoterm zu wählen.

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