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Unternehmen neu gedacht  

Interview – «Risikobeurteilung mindestens einmal pro Jahr»

Schon 2008 hat die ST Schürmann Treuhand AG in Egerkingen ein ­Excel-Tool entwickelt, das Unternehmen hilft, eine effiziente Risiko­beurteilung vorzunehmen. In unsicheren Zeiten wie heute ist ein ­wirkungsvolles Risikomanagement unabdingbar. Welche Bedeutung es für Unternehmen hat, erklärt Mark Schürmann, Mitglied des ­Verwaltungsrats und Mitgeschäftsführer.

Wie können Unternehmen ihre ­Risiken, die das eigene Geschäft ­gefährden, besser einschätzen?

Mark Schürmann: Die aktuell schwierige wirtschaftliche Lage mit hohen Energiepreisen und den Lieferengpässen von Rohstoffen und Materialien fordert nicht nur die Grosskonzerne, sondern der Wertschöpfungskette entlang auch die regionalen Klein- und Mittelbetriebe heraus. In dieser Zeit ist es wichtig, dass die Unternehmen ihre eigenen Risiken kennen, deren Auswirkungen einschätzen und drohende Verluste schnell abwenden oder minimieren können. Dies wird ermöglicht durch die Führung eines Risikomanagements mit entsprechender Risikoberichterstattung. Beim Risikomanagement ist es wichtig, dass die eigenen Risiken identifiziert und bewertet werden und dann passende Massnahmen zur Bewältigung und Überwachung der Risiken getroffen werden. Das Risikomanagement gehört nach wie vor zu den zentralen unternehmerischen Aufgaben einer jeden Unternehmung.

Welche Hilfsmittel gibt es dafür und in welchem zeitlichen Rahmen sollte man diese Risikobewertung vornehmen? 

Für die Bewirtschaftung des Risikomanagements stehen den Unternehmen heutzutage verschiedene Softwarelösungen oder Tools zur Verfügung, welche auch in bestehende ganzheitliche Managementsysteme integriert werden können. Für Kleinbetriebe ist es zweckmässig, ein der Grösse und Komplexität der Firma angepasstes Risikomanagement zum Beispiel in Word oder Excel zu erfassen und zu dokumentieren.

Mit der Einführung des neuen Revisionsrechts im Jahre 2008 hatte der Gesetzgeber erstmals Bestimmungen über die Durchführung einer Risikobeurteilung erlassen, welche die Gesellschaften vornehmen sowie im Anhang der Jahresrechnung entsprechend ausweisen mussten. Diese Bestimmungen wurden mit den Änderungen durch das neue Rechnungslegungsrecht im Jahre 2011 allerdings wieder abgeschafft. Unseren Kunden hatten wir damals ein Excel-Tool für eine Risikobeurteilung und -berichterstattung zur Verfügung gestellt, welches heute nach wie vor zweckgemäss eingesetzt werden kann. Das Excel-Tool besteht grundsätzlich aus einer Risikomanagementliste, in der die Risiken pro Risikokategorie identifiziert, nach Eintretenswahrscheinlichkeit und Schadenspotenzial bewertet sowie Massnahmen zu deren Bewältigung und Überwachung der Risiken festgehalten werden. In einer separaten «Risk-Map» werden die Risiken nach den vorher genannten Bewertungskriterien sowie nach Massnahmen überschaubar dargestellt. Damit auch alle wesentlichen Risiken erkannt werden, dient ein Risikokatalog der Erfassung der Schlüsselbereiche einer Unternehmung, welche Risiken beinhalten können. Mit unserem Excel-Tool kann effizient das Risikomanagement unterstützt und dokumentiert werden. Idealerweise wird diese Risikobeurteilung mindestens einmal jährlich oder bei stark veränderten Marktgegebenheiten mehrmals im Jahr erstellt resp. aktualisiert.

Wessen Aufgabe ist die Risikoanalyse innerhalb der Unternehmung?

Die Risikoidentifikation und -bewertung ist primär die Aufgabe des Managements, welches sich mit den verschiedenen Arten und Ausprägungen der Unternehmensrisiken auseinandersetzt, diese beschreibt und festhält. Die Unternehmensrisiken beeinflussen immer auch strategische Ziele und Entscheidungen, weshalb eine enge Zusammenarbeit mit und eine periodische Berichterstattung an den Verwaltungsrat wichtig sind. Bei Kleinstunternehmen sind meistens die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat identisch, was die ganze Umsetzung vereinfacht. Für die Durchführung des Risikomanagements sollte die Geschäftsleitung oder der Verwaltungsrat über das notwendige Fachwissen sowie die Erfahrung verfügen. Ist dies nicht ausreichend vorhanden, stehen insbesondere wir als Treuhandstelle für KMU als erste Ansprechperson gerne zur Verfügung und können weiterhelfen. Bei Grossunternehmen werden aufgrund der grösseren Komplexität oft externe Berater engagiert.

Sobald die unternehmensspezifischen Risiken vorliegen und bewertet worden sind, trifft das Management in enger Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsrat angemessene und notwendige Massnahmen zu deren Bewältigung und Überwachung. Die Umsetzung und Überwachung der Massnahmen erfolgt anschliessend durch das Management, wobei auch hier der Verwaltungsrat entsprechend dokumentiert wird. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Geschäftsleitung und Verwaltungsrat ist ein zentraler Faktor für ein effizientes und effektives Risikomanagement. 

Welche Risiken haben sich in der Vergangenheit, also vor der Corona-Zeit und dem Ukraine-Krieg, als diejenigen erwiesen, die am schwersten in den Griff zu bekommen waren?

Die Kundenzusammensetzung unserer Treuhandunternehmung ist vielseitig und deckt insbesondere die Handels- und Dienstleistungsbranche sowie das Bauhaupt- und Baunebengewerbe und die  öffentlich-rechtlichen Organisationen ab. Insbesondere bei der Durchführung von Wirtschaftsprüfungsdienstleistungen müssen wir die Risiken der Unternehmen kennen und diese in der Prüfungsplanung integrieren und berücksichtigen. In der Vergangenheit sind hauptsächlich folgende Risiken bei unseren Kunden aufgetreten: Marktrisiken, also starke Konkurrenz und Preiskampf, insbesondere im Bauhaupt- und Baunebengewerbe. Finanzrisiken, Zahlungsverzug der Kunden, saisonale Liquiditätsengpässe. Mitarbeiter- und Personalrisiken, Fachkräftemangel und entsprechende Probleme bei der Personalbeschaffung und -rekrutierung können negative Auswirkungen haben.

 … und welche Risiken sind heute für Unternehmen am bedrohlichsten?

In der momentan schwierigen Lage kämpfen eigentlich alle KMU hauptsächlich mit Risiken in der Materialbeschaffung, der Energiewirtschaft, der Personalrekrutierung, der allgemeinen Inflation und mit steigenden Zinsen.

Die Risiken bei der Materialbeschaffung liegen in den hohen Preisen, den Logistikproblemen und langen Lieferfristen. Schlüsselprodukte und -materialien werden nicht oder viel zu spät geliefert, die Produktion wird verzögert und somit können Terminkonflikte mit Endkunden entstehen. Die hohen Preise können nur teilweise an den Endkunden weitergegeben werden, was spürbar die Gewinnmargen reduziert.  

Die aktuell hohen Strom- und Gaskosten zwingen die Firmen, alternative Energiequellen zu suchen, was kurzfristig jedoch kaum umsetzbar ist. Der Fachkräftemangel ist in der Schweiz schon seit längerem ein Thema und hat sich mit der Krise zusehends verstärkt. Branchenübergreifend finden die Firmen kein qualifiziertes Personal mehr, was in diversen Branchen schon zu Reduktionen oder Teilschliessungen von Betrieben geführt hat. In der Personalbeschaffung und -rekrutierung müssen Unternehmen neue Wege gehen, damit qualifizierte Mitarbeitende gewonnen werden können.

Die allgemeine Teuerung der privaten Lebenskosten bekommen auch die Konsumenten zu spüren. Dies belastet ihre Haushaltsbudgets und schränkt das Konsumverhalten und dadurch die Nachfrage ein.

Die Leitzinserhöhungen der Schweizerischen Nationalbank und seit neuestem der Europäischen Zentralbank führen zwangsläufig zu steigenden Zinsen für Betriebs- und Hypothekarkredite. Dies führt nicht nur zu höheren Finanzierungskosten, sondern die Banken und Kreditinstitute werden die Kreditvergabe auch vorsichtiger und restriktiver vornehmen.

Es kann klar festgehalten werden, dass die Unternehmen in der aktuellen Lage je nach Branche stark gefordert sind. 

«Der qualifizierte Treuhänder kann bei der Risikoidentifikation, -bewertung und -überwachung unterstützend zur Seite stehen.»

Was zeichnet Unternehmen aus, die sehr gut auf Risiken reagieren können? Gibt es Eigenschaften, die ihnen gemeinsam sind?

KMU-Betriebe sind zahlreichen internen und externen Risiken ausgesetzt, welche nur durch eine gut funktionierende, vorausschauende Unternehmensführung bewältigt werden können. Zu einer guten Unternehmensführung gehört auch die Umsetzung eines der Firmengrösse angepassten Risikomanagements. Nur wer seine Risiken kennt, beurteilt und überwacht, kann auch in solchen Krisensituationen angemessen reagieren.  

Wie können Treuhänder Unternehmen helfen, ihr Risikoprofil zu optimieren? 

Die qualifizierten Treuhänder sind für KMU-Betriebe oftmals die erste Ansprech- und Vertrauensperson für diverse finanzielle und betriebliche Angelegenheiten. Durch das Führen von Buchhaltungen, das Erstellen und Besprechen von Abschlüssen lernen Treuhänder das Business des Kunden kennen und verstehen. Insbesondere durch die Besprechung von Halbjahres-/Jahresabschlüssen, von Ertrags- und Aufwandspositionen sowie von Kennzahlen und deren Vergleich mit Branchenwerten können den Unternehmen bestehende oder mögliche Risiken aufgezeigt werden. Dabei geht es nicht nur um finanzielle Risiken, sondern auch um Markt-, Kunden- oder Mitarbeiterrisiken. Der qualifizierte Treuhänder kann dadurch bei der Risikoidentifikation, -bewertung und -überwachung unterstützend zur Seite stehen. 


Zur Person

Mark Schürmann ist dipl. Wirtschaftsprüfer, lic.rer.pol und Mitinhaber der ST Schürmann Treuhand AG. Er stellt seit vielen Jahren sein fundiertes Wissen im Wirtschaftsprüfungs-, Treuhand- und Steuerbereich für KMU und öffentliche Institutionen zur Verfügung. Ganzheitliche und bedürfnisgerechte Beratung stehen für ihn im Vordergrund.
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