Mitarbeitende motivieren durch werteorientierte Führung
In der heutigen Unternehmenswelt stehen vor allem Zahlen im Vordergrund, während der Mensch oft vernachlässigt wird. Ein Mitarbeiter, der gute Leistungen bringt, gilt als «seinen Lohn wert». Bringt er hingegen schlechte Ergebnisse, wird er schnell ersetzt. Viele Führungskräfte erkennen jedoch nicht, dass sie selbst die Möglichkeit haben, wertvolle Mitarbeitende zu gewinnen und langfristig zu halten. Um dies zu erreichen, müssen Unternehmen ihre Werte klar definieren und konsequent umsetzen. Ausserdem ist es wichtig, eine Balance zwischen den Unternehmenszielen und den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeitenden zu finden, um ihnen einen erfüllenden Job zu bieten.
Was sind Werte?
Wir alle besitzen Werte, die unser Denken und Handeln beeinflussen, oft ohne, dass wir es merken. Sie helfen uns zu entscheiden, was wir für gut oder schlecht halten, was wir akzeptieren oder ablehnen, und was uns motiviert oder unglücklich macht. Werte bieten uns Orientierung und Stabilität. Trotz ihrer Bedeutung sind sie schwer fassbar. Die lateinische Wurzel «valere» bedeutet, gesund und stark zu sein, aber auch, von Wert zu sein und Einfluss zu haben. Werte beinhalten somit etwas Kraftvolles für den Menschen.
Was bedeutet werteorientierte Führung?
Wenn Mitarbeitende ohne werteorientierte Führung arbeiten, können sie langfristig weder gesund noch zufrieden sein, da die grundlegenden Voraussetzungen fehlen. Ihre Werte und inneren Motivatoren werden ignoriert, was dazu führt, dass sie innerlich kündigen, ihre Leistung mindern und letztlich das Unternehmen verlassen.
Es genügt nicht, Unternehmenswerte und Strategien lediglich in den Führungsetagen zu beschliessen und an die Mitarbeiter weiterzugeben. Vielmehr ist entscheidend, wie gut dieses Modell zu einem bestimmten Markt, einer speziellen Organisation, einer Abteilung oder einem Team passt. Es muss im Einklang mit dem institutionellen Rahmen, der Unternehmens- und Teamkultur und den darin verankerten Werten stehen, die das Handeln der Organisation prägen.
Ein wichtiger Aspekt ist die passgenaue Abstimmung zwischen Person und Umfeld. Werte wie Qualität, Disziplin, Ordnung, Loya-
lität und Pflichtbewusstsein sind für die Produktion entscheidend, während für die Erforschung und Entwicklung innovativer Produkte Mitarbeiter mit hoher Kreativität, Eigenverantwortung, Multiperspektivität und Vernetzung von grösserer Bedeutung sind.
Der grosse Vorteil einer wertebasierten Personalauswahl besteht darin, dass Mitarbeiter, welche die Werte ihres Arbeitsumfeldes teilen, von sich aus motiviert sind. Denn wer Sinn in dem sieht, was er tut, der arbeitet effizienter und ist dabei zufriedener. Werte binden Mitarbeiter. Somit haben Unternehmen mit gelebten Werten und ansprechender Unternehmenskultur einen klaren Wettbewerbsvorteil.
«Im zwischenmenschlichen Kontext sind unterschiedliche Wertvorstellungen ein idealer Nährboden für Schwierigkeiten und Konflikte.»
Wertesysteme und Menschenbild in der Führung
Als Führungskraft neigt man oft dazu, die eigenen Werte und Überzeugungen auf die Mitarbeiter zu projizieren. Das persönliche Menschenbild, das jeder von anderen hat, beeinflusst auch das Selbstbild und die eigene Wahrnehmung. Die Ansichten einer Führungskraft über Menschen sind stark von den Erfahrungen geprägt, die sie in der eigenen Kindheit und Jugend gemacht hat, insbesondere durch die Erziehung der Eltern. Ein negativ geprägtes Selbstbild aus dieser Zeit kann die Haltung gegenüber anderen nachhaltig beeinflussen.
Obwohl viele Führungskräfte dies vielleicht nicht eingestehen möchten, sind diese Erfahrungen tief verankert. Daher ist es für jede Führungskraft wichtig, über ihr Selbstbild und Menschenbild nachzudenken, um zu verstehen, warum sie auf bestimmte Weise denkt und handelt. Wer sich mit diesen inneren Aspekten auseinandersetzt und sich selbst besser kennenlernt, kann offener für werteorientierte Führung werden.
9 Levels of Value Systems
Basierend auf Prof. Clare W. Graves Stufenmodell menschlicher Entwicklung und Rainer Krumms langjähriger Erfahrung im Beratungs- und Trainingsgeschäft, entstanden die «9 Levels of Value Systems». Mit ihrer Hilfe können Wertesysteme von Personen, Gruppen und Organisationen gemessen werden. Dabei geht es immer darum, inwieweit die aktuellen Wertehaltungen zur Umgebung passen. Ein onlinebasiertes Fragensystem ermittelt das aktuelle Ist und das anzustrebende Soll der Wertesysteme, wodurch Veränderungspotenziale aufgezeigt und genutzt werden können.
«Das Modell beschreibt, wie Menschen oder Systeme denken, nicht, wie sie sind. Es erklärt, warum sie sich so oder anders verhalten.»
Die 9 Levels beschreiben Entwicklungsstufen, die mit entsprechenden Wertesystemen einhergehen. Mit den 9 Levels steht ein international erprobtes Modell zur Verfügung, um die komplexen und neuartigen Herausforderungen zu meistern. Mit jedem Schritt liegt die Lösung abwechselnd darin, sich der Umwelt anzupassen oder umgekehrt. Der unterste Level steht für den klassischen Überlebenskampf. Der nächsthöhere Level zeichnet sich durch wenig Arbeitsteilung und patriarchische Führungsstrukturen aus, beides häufig in kleinen Familienunternehmen anzutreffen. Aufsteigend folgen Levels, die über Regeln und Prozesse hin zu holistischem Denken führen, was in Unternehmen so gut wie noch nicht zu finden ist. In den deutschsprachigen Ländern stehen die meisten Unternehmen vor der Aufgabe, sich vom vierten zum fünften und vom fünften zum sechsten Level zu entwickeln. Keine Person, Gruppe, Organisation besitzt ein eindeutiges Wertesystem. Vielmehr ist es ein Mix aus aktuellen und vorübergehenden Werten sowie deren Zusammenhängen und Systemen. Alle Levels des Modells sind absolut gleichwertig, keiner ist schlechter oder besser. Es kommt vielmehr auf die Übereinstimmung mit der Umwelt an.
Die 9 Levels im Überblick
Die Levels 1 bis 6 bilden die Levels des ersten Rangs. Diese ersten 6 Levels reagieren auf Mangelbedürfnisse der eigenen Lebenswelt. Ab dem zweiten Rang wiederholen sich die Levels, jedoch auf einer neuen Ebene und mit der Fokussierung auf Sinnhaftigkeit und Sinnbedürfnisse.
Level BEIGE
Der Mensch im 1. Level befindet sich in der fundamentalsten Stufe des Lebens und des Bewusstseins. Er lebt in kleinen Gruppen oder Verbänden, die einen gewissen Schutz geben und seine Grundbedürfnisse, wie Nahrung, Wasser, Wärme und Fortpflanzung, sichern. BEIGE ist instinktgesteuert und handelt intuitiv. Die Urangst – Verlust der überlebenswichtigen Kräfte – begleitet ihn. In der Wirtschaft kämpft dieser Level ums ökonomische Überleben. Der Level BEIGE ist nicht Bestandteil des angewendeten Tools und wird nicht gemessen.
Level PURPUR
Der Mensch im 2. Level sieht sich als Mitglied einer Gemeinschaft, eines Clans mit dem Patriarchen, dem Häuptling als Führer. Der Clan bietet Schutz, Sicherheit und Zugehörigkeit. Alles läuft auf einem Regelwerk, das meist nicht festgeschrieben ist, aber auch nicht hinterfragt wird. Aufopferung und Gehorsam werden vorausgesetzt. Traditionen und Brauchtum werden gepflegt, auch Aberglaube hat seinen Platz. Im Wirtschaftsumfeld sind hier häufig patriarchalische Familienunternehmen zu finden.
Level ROT
Der Mensch im 3. Level sieht sich als Eroberer und Herrscher von neuen Gebieten. Das Streben nach Macht, Unabhängigkeit und Ansehen zeichnet ihn aus. Die Ressourcen werden zum eigenen Vorteil genutzt, im Zweifelsfall ohne Rücksicht auf Verluste. ROT kann schnell die Initiative ergreifen und oft kraftvoll und innovativ wirken. Regeln und Gesetze kennt er nicht. Es gilt das Credo: Der Stärkere setzt sich durch. Im wirtschaftlichen Kontext fallen darunter Eroberungsmärkte oder harte Strukturvertriebe.
Level BLAU
Der Mensch im 4. Level sucht nach Regeln und Gesetzen und sieht sich als Teil eines Ordnungssystems. Dieses zeigt klare Regeln und Zuständigkeiten auf, nach denen gelebt und gehandelt wird. Gerechtigkeit ist ein hohes Gut und wird vorausgesetzt. Loyalität wird belohnt. BLAU zeichnet ein hohes Mass an Pflichtbewusstsein und Disziplin aus. Die Identität wird über das Kollektiv gewonnen. Hierarchien werden betont, Stellenbeschreibungen sind bedeutsam und Regeln und Strukturen finden Einzug.
Level ORANGE
Der Mensch im 5. Level hat stets den eigenen Erfolg im Fokus, mit dem Ziel, seinen Wohlstand zu erhalten und zu mehren. Er hat viel Energie und eine ausgeprägte Zielstrebigkeit. Dabei hat er den Blick auf das Ganze, sein Erfolg geht nicht zwangsläufig auf Kosten der anderen. Ihn zeichnet die Weiterentwicklung mit einer klaren Zielorientierung und ständiger, rasanter Leistungssteigerung aus. Er ist rastlos. Prozessorientierung und Zielvereinbarungen prägen die Zusammenarbeit.
Level GRÜN
Der Mensch im 6. Level sieht Erfolg als das Ergebnis der richtigen Team-Konfiguration. Sein Denken ist auf Zielerreichung aus, aber mit Teamdenken, gemeinsamem Handeln und Konsensbildung kombiniert. Sein Ziel ist es, als Gemeinschaft langfristige Erfolge zu sichern. Begegnungen, Personen und Beziehungen sind ihm wichtiger als die Sache. Im Vergleich zu BLAU und ORANGE denkt GRÜN weniger absolut, sondern wägt verschiedene Meinungen ab. Begriffe wie Partizipation sind für ihn in der Zusammenarbeit wichtig.
Level GELB
Der Mensch im 7. Level ist als erster in der Lage, die Stärken aller vorigen Levels zu erkennen, zu nutzen und zu kombinieren. Die Levels 1 bis 6 kennen diese Multiperspektivität nicht. Bei GELB liegt der Fokus auf Wissensvermehrung, Flexibilität, Kompetenz und Unabhängigkeit. Materieller Besitz, Macht und Status sind zweitrangig. Der Mensch in GELB denkt systemisch mit grossem Abstraktionsvermögen. Netzwerke und wechselnde Kooperationen gehören zur Tagesordnung.
Level TÜRKIS
Der Mensch im 8. Level handelt ausschliesslich in Richtung Nachhaltigkeit und Ganzheitlichkeit. TÜRKIS denkt holistisch-global, ökologisch und intuitiv. Er konzentriert sich auf das Wohlergehen der Welt und richtet sein Leben und Arbeiten gänzlich danach aus. Durch seine altruistische Haltung kann er sowohl Beobachter als auch Gestalter sein.
Level KORALLE
Der Mensch im 9. Level ist Ich-bezogen und lebt mit dem Wissen, dass es keine Grenzen gibt, die nicht durch menschliches Tun und Sein erzeugt werden. Durch und durch mit Liebe und Respekt zu allen lebenden Wesen erfüllt, wird er durch sein Charisma die Menschen motivieren, neue Wege zu gehen und Grenzen zu überschreiten. Wie der 1. Level ist auch der 9. Level nicht direkt Gegenstand des entwickelten Systems und wird somit ebenfalls nicht gemessen.
Siehe dazu das Handbuch «9 Levels of
Value Systems» von Rainer Krumm