Mobil – und trotzdem regional – arbeiten?
Wie verändert die digitale Technologie die Schweizer Arbeitswelt? Seit Steve Jobs 2007 das erste iPhone präsentierte, steht die IT-Welt Kopf. 2020 besassen weltweit vier von fünf Personen ein Smartphone. Internet, Mails und Chats können mobil immer und überall genutzt werden. Wir sind miteinander «verbunden» und verlinkt. Wir kennen uns, unsere Hobbies werden in Bildern und Hashtags ausgetauscht; vom Wandern bis zum Segeln, vom Spaziergang bis zur Demonstration unserer Kochkünste. Unsere Business Skills sind wie in einem Lebenslauf auf verschiedene Apps verteilt. Doch sind wir uns schon mal begegnet? Erkennen wir uns auf der Strasse, im Supermarkt, im Restaurant? Vermutlich die wenigsten. Mir jedenfalls ist es auch schon passiert, dass ich erst auf den zweiten Blick jemanden erkannte, der mit mir schon mal in einer Telko war.
Als OfficeCare führen wir aktiv Social Media-Profile auf diversen Kanälen wie LinkedIn, Xing, Instagram. Ebenso machen wir regelmässig bewusste HomeOffice-Tage und halten täglich Online-Telkos mit unseren Kunden ab. Eine geniale Sache, spontan, mobil, schnell, keine Sitzungszimmer, keine Anfahrten. Wie viel ist die persönliche Begegnung heute noch wert? Der Schwatz am Kaffeeautomaten, der Austausch mit dem Teamkollegen beim Kopiergerät oder mit der Teamkollegin über die Pultkante hinweg? Sowohl für die Teamarbeit wie für die Kunden-Lieferantenbeziehung finden wir: Diese Begegnungen helfen, aber der richtige Mix ist heute entscheidender als früher! Am Beispiel zweier Kundenbeziehungen möchten wir unseren Alltag aufzeigen. Dabei spielt die Regionalität keine unwesentliche Rolle.
Neue Formen der Begegnung
Mit der AEW Energie AG arbeiten wir seit mehreren Jahren intensiv in verschiedenen Projekten zusammen. Dazu gehören die Einführung und Betreuung einer Vorlagenmanagement-Lösung für Microsoft Office 365 sowie die entsprechende Mitarbeiter:innenausbildung und -information. Diese haben wir, verteilt auf diverse AEW-Standorte im Kanton Aargau, just vor der Pandemie durchgeführt. Ein grosser Erfolg, auch dank persönlicher Kontakte. Meetings mit Projektverantwortlichen fanden am Hauptsitz in Aarau statt. Dann kam die Pandemie. Vor Ort war nicht mehr möglich, Schulungen mussten im besten Fall durch Online-Seminare ersetzt werden. Für alle eine Herausforderung, für uns als Schulungsdienstleister und für die Mitarbeitenden von AEW. Denn Online-Kurse unterrichten resp. besuchen ist bekanntlich nicht das Gleiche wie vor Ort. Die Schulungskonzepte mussten angepasst, Fragerunden vorgängig publiziert und strukturiert eingebaut werden. Es kann nicht jeder dann die Frage stellen, wenn ihm danach ist. Gruppen von 20 Personen brauchen online viel mehr Integration der Teilnehmenden als im physischen Unterricht. Denn wir sehen ja nicht, wenn jemand sprechen will, wir hören es erst, wenn jemand spricht.
Das eine tun, das andere nicht lassen
Gemeinsam mit der AEW haben wir das heutige Ausbildungsprogramm erarbeitet. Ein Mix aus Online- und Vor-Ort-Veranstaltungen, aufgebaut auf den Erfahrungen der letzten Jahre. Informationsveranstaltungen werden nach wie vor online durchgeführt, Workshops und Schulungen mit integrierten Praxisbeispielen hingegen immer vor Ort in den verschiedenen Regionalzentren der AEW. Die Kursteilnehmenden schätzen es sehr, für die Informationsveranstaltungen nicht extra anreisen zu müssen; gleichzeitig profitieren sie in den Vor-Ort-Workshops von der individuellen Praxisintegration anhand von Beispielen sowie vom «Blick über die Schulter» der Kursleiter:innen. Der eine und andere Schwatz beim Pausenkaffee hat schon über viele kleine technische Probleme hinweg geholfen. Unsere geographische Nähe zur AEW ist reisetechnisch sicher ein grosser Vorteil.
Mit diesem Kunden haben wir dank Mobilität und digitalem Wandel eine partnerschaftliche, effiziente und zielführende Zusammenarbeit aufgebaut. Monatliche Projektbesprechungen wechseln sich ab mit kurzen Telkos und Meetingabschlüssen mit knusprigen Pinsas. Die persönlichen Kontakte bleiben bestehen und wirken sich nicht zuletzt auch sehr positiv auf das Gesamtprojekt aus. Regionalität mit überschaubaren Distanzen kann helfen, spontan und flexibel zu reagieren, auch für kleine Stundeneinsätze vor Ort und in IT-Projekten.
Die Schweiz ist und bleibt auf dem Weg zu mehr Produktivität und Lebensfreude, dank immer mehr Mobilität. Rund 75% der berufstätigen Bevölkerung arbeiten im Dienstleistungssektor und sind für ihre Wissensarbeit abhängig von Notebooks, Tablets und Smartphones. Bei 20% aller Unternehmen sind mobiles Arbeiten und/oder HomeOffice bereits ein fester Bestandteil des Arbeitsalltags. Weitere 45% befinden sich in einer Veränderungsphase. Gemäss Umfrage können von den 5 Millionen Beschäftigten in der Schweiz mehr als die Hälfte (54%) grundsätzlich mobil arbeiten (Zahlen aus einem Phasenmodell der FHNW)
Projektstart online: Etwas ganz Neues
Anders startete unsere Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft UNIA in Bern. Just zum Start des ersten Lockdowns tritt die UNIA über ihren Solution Partner mit uns in Kontakt. Erste Teams-Meetings bestätigen die Zusammenarbeit schnell, und ein Projekt wird im Dreiecks-Verhältnis gestartet. Für uns eine Premiere bei einem Auftrag dieser Tiefe: Trotz gegebener Regionalität (die drei Firmen befinden sich im Umkreis von 20 Kilometern) führen wir alle Kick-offs online durch. In den letzten 20 Jahren haben wir kein Kundenprojekt dieser Grössenordnung lanciert, ohne die Verantwortlichen persönlich kennengelernt zu haben. Aber während des Lockdowns war selbst das Überbringen eines Kursbuchs verbunden mit einer kurzen Unterhaltung an der Empfangstheke oft eine Herausforderung. Projekte rein virtuell anzugehen ist für uns definitiv keine Option. Wir sind überzeugt, dass ein persönlicher Erstkontakt vor Ort immer noch die beste Option ist. Aber die Pandemie liess uns allen keine Chance.
Mit der UNIA haben wir den Weg gefunden. Mit jeder Telko wurden uns die Organisation und deren Themen vertrauter. Heute stehen wir bereits im dritten Jahr der Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft und der Wagner AG in Kirchberg. Trotz kurzer Distanzen finden Meetings zwar noch regelmässig online statt, grössere Projekttreffen oder Dateianalysen aber immer vor Ort. Und das ist gut so.
Der Mix machts aus
Abwechselnde Online- und Vor-Ort-Meetings finde ich persönlich sehr wichtig. Gerade für Planungsthemen in Schulungsprojekten oder für die Entwicklung neuer Vorlagen sollten mehrere Sichtweisen einfliessen (d.h. Projektgruppen von 4 bis 5 Personen). Meine Erfahrung zeigt, dass das Ziel solcher Meetings vor Ort oft effizienter zu erreichen ist als mit einer Telko. Kürzere Distanzen fördern physische Treffen natürlich. Umgekehrt gilt: Je besser man sich kennt, desto effektiver sind Online-Meetings.
Vorteile von Online-Informationsveranstaltungen
- keine Reisezeiten/-kosten
- interdisziplinäre Veranstaltungen möglich, da oft Informationsaustausch (keine Praxisübungen)
- kurzfristige Teilnahme möglich