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Unternehmen neu gedacht  

Nachhaltigkeitsberichterstattung I: Chancen und Vorteile

Karusell von unten betrachtet

Die sogenannte Nachhaltigkeitsberichterstattung ist nur für Publikumsgesellschaften zwingend, die über 500 Mitarbeitende beschäftigen, von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA reguliert sind und in zwei aufeinanderfolgenden Jahren entweder eine Bilanzsumme von über CHF 20 Mio. oder einen Umsatz von CHF 40 Mio. erzielen. Trotzdem hat sie potenziell direkte und indirekte Auswirkungen auf KMU in der Schweiz, von finanziellen über operationelle bis zu reputationsbezogenen Aspekten.

Im November 2020 wurde die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt» (sogenannte Konzernverantwortungsinitiative) in der Volkabstimmung abgelehnt, und der indirekte Gegenvorschlag trat in Kraft. Dieser verlangte nebst der Sorgfaltspflicht bezüglich Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten sowie Kinderarbeit, weitere nicht-finanzielle Berichterstattung betreffend Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance). Die entsprechenden Anpassungen im Obligationenrecht (Art. 964a–964c OR) sowie die dazugehörige Verordnung zur Berichterstattung über Klimabelange traten per 1. Januar 2024 in Kraft. Die Berichtspflicht wird ab 2024 für das Geschäftsjahr 2023 gelten.

1. Finanzielle Auswirkungen

Die finanziellen Auswirkungen der ESG-Berichterstattung für KMU sind vielschichtig und können kurzfristig Kosten, aber langfristig auch finanzielle Vorteile bringen:

a) Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten: Auf Grund der zunehmenden Regulierung der ESG-Themen zeigen Finanzinstitute und Investoren verstärkt Interesse an Unternehmen, die Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards einhalten. Sie sind daher bereit, konformen Unternehmen günstigere Kreditkonditionen anzubieten oder Investitionen in solche KMU zu tätigen. Können KMU eine positive Nachhaltigkeitsberichterstattung vorweisen, haben sie zukünftig besseren Zugang zum Finanzmarkt. Dies kann dazu beitragen, die finanzielle Stabilität von KMU zu stärken und ihre Wachstumschancen zu verbessern.

b) Risikominimierung und Kostenoptimierung: Durch die Einhaltung von ESG-Standards können KMU Unsicherheiten im Umgang mit ökologischen, sozialen und Führungsfragen und damit potenzielle Haftungs- und Reputationsrisiken reduzieren. Dies kann sich beispielsweise positiv auf Haftpflichtprämien oder Exportversicherungen auswirken, denn solche Unternehmen, gelten als weniger risikoreich und profitieren damit von niedrigeren Versicherungsprämien.

c) Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerung: Der Aufbau einer systematischen Nachhaltigkeitsberichterstattung setzt möglicherweise Änderungen an bestehenden Geschäftsprozessen und -praktiken voraus, um beispielsweise Umwelt- und Sozialstandards in der Produktion zu verbessern. Solche Änderungen können Investitionen in nachhaltige Technologien, Massnahmen zur Energieeffizienz, Schulungen von Mitarbeitenden oder die Überarbeitung von Lieferketten umfassen. Auch wenn solche Investitionen zunächst mit Kosten verbunden sind, bieten sie jedoch langfristig finanzielle Vorteile in Form von Kosteneinsparungen, Effizienzsteigerungen und dem Aufbau von Alleinstellungsmerkmalen (USP).

2. Operationelle Auswirkungen

Die ESG-Berichterstattung hat direkte und indirekte Auswirkungen auf die betrieblichen Abläufe von KMU. Diese Operationen umfassen verschiedene Aspekte des Geschäftsbetriebs:

a) Veränderungen in der Lieferkette und Beschaffung: Die Einhaltung von ESG-Standards erfordert möglicherweise Änderungen in der Lieferkette und Beschaffung von Materialien und Dienstleistungen. KMU können sich entscheiden, mit Lieferanten zusammenzuarbeiten, die ebenfalls nachhaltige Praktiken verfolgen, mit diesen neue Verträge abschliessen und darin die Implementierung von Überwachungsmechanismen verlangen.

b) Investitionen in nachhaltige Technologien und Prozesse: Um Umweltziele zu erreichen und die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu verbessern, sind KMU gezwungen, in neue Technologien und Prozesse zu investieren. Beispielsweise energieeffiziente, Kosten senkende Maschinen; Abfall- und Wassermanagementprogramme verringern die Umweltbelastung bzw. reduzieren Abwassergebühren; die Nutzung von Produktionsabwärme führt zu geringeren Heizkosten. Solche Investitionen erfordern jedoch Änderungen in den betrieblichen Abläufen und möglichweise Schulungen der Mitarbeitenden, um neue Technologien und Verfahren umzusetzen.

3. Reputationsbezogene Auswirkungen

Die ESG-Berichterstattung bietet KMU die Möglichkeit, ihr Image und ihren Ruf zu stärken, indem sie sich als verantwortungsvolle und nachhaltige Unternehmen positionieren.

a) Aufbau von Vertrauen und Glaubwürdigkeit: Durch die transparente Nachhaltigkeitsberichterstattung über ESG-Aspekte können KMU das Vertrauen von Kunden, Investoren und anderen Stakeholdern gewinnen. Ein umfassender ESG-Bericht zeigt, dass das Unternehmen seine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und der Umwelt ernst nimmt und sich für nachhaltige Geschäftspraktiken einsetzt. Dies kann dazu beitragen, die Glaubwürdigkeit des Unternehmens zu stärken und langfristige Beziehungen zu Stakeholdern aufzubauen.

b) Differenzierung gegenüber Wettbewerbern: In einem globalisierten, wettbewerbsorientierten Marktumfeld kann eine positive ESG-Berichterstattung KMU dabei helfen, sich von Mitbewerbern abzuheben. Sowohl Kunden wie Investoren suchen zunehmend nach Unternehmen, die soziale und ökologische Verantwortung übernehmen und nachhaltige Geschäftspraktiken verfolgen. Durch die Betonung dieser Aspekte kann ein KMU seine Alleinstellungsmerkmale stärken und eine differenzierte Positionierung im Markt erreichen. So kann sich ein Unternehmen z.B. durch den vorausschauenden Ausschluss von gesundheitsgefährdenden Materialien gegenüber seinen Mitbewerbern absetzen
(s. QR-Code für ein praktisches Beispiel aus der Haustechnikbranche).

c) Massnahme gegen Fachkräftemangel: Eine positive ESG-Berichterstattung kann auch dazu beitragen, talentierte Mitarbeitende anzuziehen und zu binden. Insbesondere junge Fachkräfte sind heute an Unternehmen interessiert, die einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten und nachhaltige Werte vertreten. Durch die Betonung von Umwelt- und Sozialengagement können KMU ihr Employer Branding stärken und hochqualifizierte
Mitarbeitende anziehen, die sich mit den nachhaltigen Unternehmenswerten identifizieren.

Fazit

Auch wenn die Verordnung zur Berichterstattung über Klimabelange zurzeit für nicht börsenkotierte Unternehmen noch nicht direkt anwendbar ist, so hat sie zweifellos vorausgreifende Auswirkungen auf KMU in der Schweiz.

Insgesamt haben KMU, die sich aktiv mit der ESG-Berichterstattung auseinandersetzen, die Möglichkeit, ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, ihre finanzielle Leistungsfähigkeit zu verbessern und eine positive Wirkung auf die Gesellschaft und die Umwelt zu erzielen. Es ist wichtig, dass KMU diese Chancen erkennen und die notwendigen Schritte unternehmen, um eine nachhaltige Geschäftspraxis zu etablieren und sich den Anforderungen der Verordnung über die Berichterstattung über Klimabelange vorausschauend anzupassen.

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