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Unternehmen neu gedacht  

Knapp 24 Monate hat es gedauert, um unsere globalisierte Welt an den Rand des Kollapses zu
führen. Mehrfachkrisen und ihre Effekte verlangen nach einer Neuausrichtung des globalisierten Systems, wie wir es die letzten 60 Jahre gekannt haben. Die Re-Regionalisierung ist der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Der Megatrend «New Glokal» zusammengesetzt aus den Worten
«Global» und «Lokal» wird uns in Zukunft begleiten.

Den Grundstein für die Globalisierung hat US-Präsident Franklin Delano Roosevelt ab 1933 mit dem «New Deal» gelegt. Die Serie von Wirtschafts- und Sozialreformen führte die USA aus der Krise und machte sie zur Wirtschafts- und Weltmacht. In den 1960er-Jahren starteten die grossen amerikanischen Firmen eine Offensive die Welt zu erobern. Die Globalisierung nahm ihren Lauf.

In den letzten 60 Jahren war die Globalisierung der Megatrend schlechthin, wobei Europa erst mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 richtig auf den Zug aufgesprungen ist. Unsere Reisewege haben sich rund um den Planeten ausgedehnt. Das war der Start der Turbo-Globalisierung. Ab 1990 waren die Zeiger der Geschichte nur noch in eine Richtung gestellt: Freie Marktwirtschaft, Austausch der Kulturen, Personenfreizügigkeit, Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer, Export der Umweltprobleme, Just-in-Time-Logistik, ständig steigende Exportraten – und, ja, Wohlstand. Wenigstens in der privilegierten westlichen Welt. Das Kapital und dessen Vermehrung war die Sprache der Welt und veränderte das Bewusstsein der Menschen und die Einstellung zum Staat. Plötzlich waren es die Mega-Unternehmen, die diktierten, wohin die Reise geht. Der Marktwirtschaft wurde alles untergeordnet. Es begann ein «Spiel ohne Grenzen».

Wir waren der Meinung, dass die hypervernetzte Welt, die freie Marktwirtschaft und die Technik für jedes Problem eine Lösung finden würden.

Die globalisierte Welt ist ein sehr komplexes und fragiles System. Wir waren der Meinung, dass die hypervernetzte Welt, die freie Marktwirtschaft und die Technik für jedes Problem eine Lösung finden würden. Doch Handelskriege, diplomatische Eklats, Cyber-Crime und globale Mega-Unternehmen, die nationalstaatlichen Regulierungen trotzen, haben gezeigt, wie verletzlich wir auch ohne Grossereignis sind.

Und was niemand für möglich hielt, ist im Frühjahr 2020 eingetreten. Die grosse Globalisierungsmaschine ist innert weniger Tage zum Halt gekommen. Die Coronakrise machte klar, wie anfällig unser Just-in-Time-System in Wahrheit ist. Exemplarisch dafür, war das Steckenbleiben des Containerschiffs «Ever Given» im Suezkanal Mitte 2021. Wer noch immer glaubte, die Globalisierung betreffe ihn oder sie nicht, wurde eines Besseren belehrt. Seit Corona ist jedem klar: Wir sind eine Welt, alles hängt miteinander zusammen. Wenn es irgendwo auf dem Planeten knallt, dann hat das auch bei uns Auswirkungen.

Der Krieg in der Ukraine veranschaulicht unsere Abhängigkeit von Energie-, Lebensmittel- und Rohstoffquellen. Er hat auch unsere Machtlosigkeit in der Diplomatie und im Flüchtlingswesen schonungslos offengelegt. Der Ukraine-Krieg hat die alten Friedensordnungen in die Luft gesprengt, die auf den Menschenrechten und der territorialen Unversehrtheit gründeten. Die Rückkehr imperialer Strategien und diktatorischer Expansionen hat den Globalisierungstrend disruptiert.

Wir versuchen nun, globale Prozesse und Probleme auf nationalen Ebenen zu lösen, es wurden sogar Grenzen geschlossen. Das hat bei Corona nicht funktioniert und wird auch beim Krieg in der Ukraine nicht funktionieren. Doch bis sich diese Erkenntnis durchsetzt, ist für die nächsten Jahren eine unruhige Weltordnung mit wechselnden Allianzen, zahlreichen Spannungen und Konflikten absehbar. Zuerst werden sich die Nationen weiter abschotten, die Lieferketten regionalisieren und die Autonomie in Versorgung, Energie, Pharma, Rohstoffen und Hightech ausbauen.

Glokalisierung beginnt genau hier!

Seit rund 60 Jahren leben wir so etwas wie den «American Dream», der auch als amerikanischer Modernismus bezeichnet werden kann. Alles, was wir kaufen und nutzen, wird in internationalen Wertschöpfungsketten produziert. Pandemien und geopolitische Krisen machen dieses Konzept sehr anfällig. Zudem hat die «Friday for Future»-Bewegung die ökologischen Folgen einer rücksichtslos globalisierten Weltwirtschaft ins öffentliche Bewusstsein getragen. Die Zeiten der immer längeren Wertschöpfungsketten neigt sich dem Ende zu. Künftig wird die Produktion wo möglich wieder zurück zum Verbraucher kommen und lokaler stattfinden.

Der Megatrend New Glokal oder Glokalisierung setzt genau hier an. Er regelt das Verhältnis zwischen lokal und global neu. Die Globalisierung wird nicht verschwinden, sie wird sich noch auf Bereiche und Produkte beschränken, für die keine lokale Lösung möglich ist. Das führt zu einer Rückverlagerung der Wertschöpfungskette (Insourcing) und damit zu mehr lokaler, regionaler, nationaler und kontinentaler Autonomie. Daraus ergeben sich wieder stärkere lokale Produktionskapazitäten und vor allem kürzere Lieferketten. Das heisst aber auch, dass unsere Nachhaltigkeitsgesetze zum Tragen kommen und wir die Umweltprobleme nicht mehr in die weniger regulierten Regionen dieser Welt exportieren können. Entsprechende Gesetze sind in der EU bereits verabschiedet worden und stehen in der Schweiz zur Diskussion (über die Auswirkungen von ESG, Environmental Social Governance, auf die KMU werde ich Sie in einer der nächsten Ausgaben informieren).

Regionaler und nachhaltiger wirtschaften

New Glokal wird daher keine vorübergehende Erscheinung sein, sondern den bisherigen Super-Megatrend Globalisierung ablösen. In der globalen Produktion und im Handel der Zukunft wird der Fokus auf Regionalität und nachhaltiges Wirtschaften gelegt. Das Wirtschaftssystem wird dadurch resilienter und weniger anfällig auf Krisen. Die überregionalen und globalen Strukturen werden nicht verschwinden, aber an Bedeutung verlieren. Das wird zu einer Beschränkung des internationalen und einer Verstärkung des regionalen Angebots führen.

Lokale Produkte erfüllen nicht nur das Bedürfnis nach Nähe zu Erzeugern und regionalen Besonderheiten, sondern auch nach Sicherheit.

Auch die Mobilitätsbeschränkungen während der Krise machten klar, dass die Abhängigkeit vom Welthandel zu gross geworden ist. Viele Güter aus anderen Weltregionen waren schlichtweg nicht mehr lieferbar. Die lokalen Anbieter haben deshalb massiv an Bedeutung gewonnen. Während der Krise kauften Konsumenten*innen vermehrt Produkte aus lokaler Herstellung, weil diese nicht nur das Bedürfnis nach Nähe zu Erzeugern und regionalen Besonderheiten, sondern auch nach Sicherheit erfüllen. Globale Handlungsbeziehungen werden damit nicht irrelevant – allerdings werden sinnlose Auswüchse reduziert.

Vielleicht kam die Coronakrise genau zum richtigen Zeitpunkt? Wir hatten die lokalen Produktionen zwar massiv geschwächt, aber sie existierten noch und konnten vielerorts die Versorgungslücken verkleinern oder schliessen. Auf jeden Fall hat die Coronakrise das blinde Vertrauen in den globalisierten Kapitalismus definitiv ausgelöscht. Die wichtigen Fragen sind: Welche Produktionen sind systemrelevant? Was muss lokal vorhanden sein? Was kann weiterhin aus anderen Regionen bezogen werden? Darum ist New Glokal so wichtig und der neue Super-Megatrend. Das Schlagwort hinter allem lautet Resilienz! Sie hilft uns, Störungen im System in kleinen lokalen Einheiten aufzufangen und ihnen mit den richtigen Massnahmen zu begegnen.

Die Ungleichverteilung der wichtigen Ressourcen bedingt weiterhin funktionierende internationale Lieferketten. Da diese aber störanfällig und schwierig zu managen sind, werden sie auf ein vertretbares Risiko zurechtgestutzt werden müssen. Dazu kommen die globalen Nachrichten- und Wissensströme, die sowohl Segen wie auch Fluch sein können. Denn alle unsere Tätigkeiten haben auf irgendeine Art einen globalen Einfluss.

Unsere Leitidee sollte demnach lauten: «Global denken, lokal handeln».

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