Private Vorsorgegelder zur Finanzierung der Selbstständigkeit
Zwei Bedingungen müssen erfüllt sein, um Vorsorgegelder für die Nachfolgeregelung einzusetzen: Man muss nachweislich eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen und darf nicht mehr der obligatorischen beruflichen Vorsorge unterstehen.
Was heisst «selbstständig»?
Als Selbständigerwerbender gilt, wer eine Einzelfirma oder eine Personengesellschaft (Kollektivgesellschaft) gründet. Die Inhaberin einer AG oder GmbH gilt sozialversicherungsrechtlich nicht als Selbständigerwerbende, wie fälschlicherweise oft angenommen wird. Für den Nachweis einer selbständigen Erwerbstätigkeit ist eine Bestätigung der zuständigen AHV-Ausgleichskasse notwendig. Diese prüft die Anmeldung aufgrund eines Fragebogens sowie eingereichter Unterlagen wie etwa Offerten, Rechnungen, Aufträgen, Mietvertrag für eine Geschäftsliegenschaft, Handelsregistereintrag, Briefpapier, Werbematerial, Internetauftritt oder andere Beweismittel.
Obligatorische berufliche Vorsorge entfällt
Sind die beiden Grundvoraussetzungen erfüllt, können die Vorsorgegelder bezogen werden, wobei folgende Punkte zu berücksichtigen sind:
- Der Bezug muss innerhalb eines Jahres nach Aufnahme der selbstständigen Erwerbstätigkeit erfolgen.
- Das gesamte Guthaben muss bezogen werden, ein Teilbezug ist nicht möglich.
- Bei verheirateten oder in eingetragener Partnerschaft lebenden Personen ist die Zustimmung des Ehegatten oder der Partnerin notwendig.
- Wird für den Schritt zur Selbstständigkeit bzw. zum Unternehmer eine Kapitalgesellschaft (AG oder GmbH) gegründet, können die Vorsorgegelder wie erwähnt nicht bezogen werden.
- Eine spätere Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft (AG oder GmbH) ist hingegen ohne Rückzahlungsverpflichtung möglich.
Geht man der selbstständigen Tätigkeit im Nebenerwerb nach und bleibt im Haupterwerb weiterhin Arbeitnehmer, untersteht man mit dem erzielten Lohn aus dem Anstellungsverhältnis weiterhin der obligatorischen beruflichen Vorsorge; eine Auszahlung der Vorsorgegelder ist somit ausgeschlossen.
Steuerliche Konsequenzen
Der Bezug der Vorsorgegelder ist steuerbar, die Meldung an die entsprechende Steuerverwaltung erfolgt automatisch. Diese Bezüge, wie auch Bezüge im Alter, unterliegen einer separaten Steuer und werden getrennt vom ordentlichen Einkommen veranlagt. Zur Anwendung kommt dabei der sogenannte Vorsorgetarif, der in den meisten Kantonen im Online-Steuerrechner hinterlegt ist. Mit dessen Hilfe lässt sich der anfallende Steuerbetrag errechnen. Es ist zu beachten, dass sämtliche Bezüge innerhalb eines Jahres zusammen zur Besteuerung gelangen.
Verschärfte Kontrollen
Seit Kurzem legen die zuständigen Steuerbehörden ein Augenmerk darauf, ob die bezogenen Gelder tatsächlich für die selbstständige Erwerbstätigkeit eingesetzt werden, z.B. anhand von Jahresrechnungen und entsprechenden Belegen. Dies ist insbesondere bei hohen Auszahlungen und wenig kapitalintensiven Branchen heikel (Berater u.ä.). Werden die bezogenen Gelder zweckentfremdet, könnten diese nicht zum niedrigeren Vorsorgetarif, sondern im Rahmen der ordentlichen Veranlagung mit dem übrigen Einkommen besteuert werden, was zu einer massiven Erhöhung der Steuerlast führt.
Andere Finanzierungsformen prüfen
Vorsorgegelder können unter den genannten Bedingungen und mit den entsprechenden Konsequenzen durchaus zur Finanzierung einer Selbständigkeit herangezogen werden. Weil der Weg dorthin aber immer mit Unsicherheiten und Risiken verbunden ist, sollten diese Mittel nur als Ultima Ratio für die Unternehmensfinanzierung eingesetzt werden. Weiter ist zu beachten, dass nach dem Bezug so rasch als möglich wieder mit dem Aufbau der Altersvorsorge begonnen wird. Auf einen solchen Vorbezug sollten insbesondere ältere Personen verzichten, da es schwierig sein kann, innert nützlicher Frist wieder genügend Alterskapital anzusparen.