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Unternehmen neu gedacht  
Arbeiter in Regenmäntel

Die Textil- und die Lebensmittelindustrie gehören zu den grössten Umweltsündern. Umso grösser auch die Herausforderung für achtsame Unternehmen in diesen Branchen, es nicht zu sein. Anhand von zwei Beispielen wollen wir hier aufzeigen, was möglich ist und welche zentrale Rolle dabei die Aufklärung spielt.

1931 ist die Geburtsstunde von Bernheim Mode. Heute in dritter Generation geführt, gehört das Bekleidungsfachgeschäft mit Standorten in Olten und Aarau seit Jahrzehnten zum jeweiligen Stadtbild. Wer den Modemarkt kennt, weiss, was es heisst, in Zeiten von Zalando und Gratis-Retouren als klassischer und vor allem physischer Kleideranbieter zu bestehen! Und das ist bereits des Pudels Kern: Erstens will sich Bernheim gar nicht mit «Z» & Co. vergleichen und zweitens differenziert er sich eben gerade von besagten Marktteilnehmern durch möglichst ökologisches Handeln. Zunächst aber ein Exkurs in die weltweite Textilindustrie.

Die Bereitstellung der Rohmaterialien – man denke an Baumwolle oder Leder – benötigt u.a. sehr viel Wasser und den Einsatz von Chemikalien beim Färben, Gerben und anderen Verarbeitungsprozessen. Die Arbeitsbedingungen sind oft prekär und schwierig zu überprüfen, die Transportwege lang. Möglichst billig produzierte Ware verleitet nicht nur zu unnötigen Spontankäufen von Kleidungsstücken, die man gar nicht braucht – «es kostet ja fast nichts» – sondern wird in Unmengen und sehr rasch wechselnden Sortimenten z.T. im Wochen- oder Monatstakt in die Läden und Online-Portale gespeist. Besonders stossend: Rund 30 % aller neu produzierten Kleider werden gar nie getragen! Unterdessen ist auch allgemein bekannt, dass viel retournierte Ware ebenfalls direkt im Abfall landet (im besten Fall werden Putzfäden daraus).

Nur wer die Information hat, kann sie weitergeben

Was macht nun Bernheim? Alles fängt mit dem Bewusstsein an. Schon die z.T. jungen Verwaltungsräte wollen wissen, woher die Kleidungsstücke kommen, die in den Läden hängen, und woraus sie gefertigt sind. Das Thema Nachhaltigkeit ist fixes Traktandum in VR-Sitzungen. Die Beschaffung von umweltfreundlich produzierten Stücken ist jedoch gar nicht so einfach, einen eigentlichen Standard für das Prädikat «nachhaltig» gibt es noch nicht. Einkäufer:innen müssen geschult sein, damit sie ihre Lieferanten – die notabene 90 % in Fernost produzieren lassen – angemessen prüfen können; Verkäufer:innen wiederum sollen ihren Kund:innen kompetent vermitteln, welche Artikel besonders «grün» sind. Bei Bernheim kommt in diesem Zusammenhang das «Kundenbuch» ins Spiel, das eine persönliche Kauf-History enthält, um neue Kleider auf das abzustimmen, was bereits im Schrank von Kund:innen hängt; und um «Grosseinkäufe» von Kleidungsstücken zu vermeiden, die dann doch nicht getragen werden.

Es gibt auch so etwas wie «technische» Nachhaltigkeit. Auf seinem Filialdach in Olten produziert Bernheim seinen eigenen Strom für die Beleuchtung, die in einem gepflegten Detailhandels- und insbesondere einem Modegeschäft essenziell ist. Sie lässt sich aber sparsamer einsetzen durch LED-Leuchtmittel, reduzierter Helligkeit in weniger relevanten Ladenbereichen und durch Löschen der Schaufensterlampen in der Nacht.

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Gesunde Bienen, gesunde Umwelt, gesunde Menschen

Sie ist die grösste Honig-Produzentin der Schweiz, bietet aber auch Trocken- und Softfrüchte, Nüsse, Gewürze, Suppen, Snacks, Backzutaten und andere Lebensmittel aus eigener oder Auftragsverarbeitung an. Narimpex AG in Biel bewegt sich ebenfalls im Spannungsfeld zwischen Verschwendung (die Wegwerf-Mengen von Lebensmitteln schaffen es regelmässig in die Schlagzeilen) und achtsamem Konsum. Das Familienunternehmen wird heute durch die zweite Generation geführt, die dritte ist bereits aktiv eingebunden.

Sortimentsbedingt müssen viele Nahrungsmittel importiert werden, dabei wird grössten Wert auf Qualität, Ökologie, fairen Handel und korrekte Arbeitsbedingungen gelegt. Langjährige persönliche Beziehungen zu ausgewählten Produzenten ermöglichen den permanenten Zugang zu erstklassigen, handverlesenen und naturbelassenen Rohstoffen, grösstenteils in Bio- oder sogar Demeter-Qualität und schonend verarbeitet. Den per se gesunden Lebensmitteln werden keine zusätzlichen, künstlichen Süss- oder Konservierungsmittel beigegeben.

Um den ökologischen Fussabdruck zu reduzieren, wurde das Projekt «Beyond Plastic» ins Leben gerufen: Der Einsatz von Kunststoff in den Produktbehältern und Verpackungen wird drastisch reduziert und durch umweltfreundlichere Materialien wie Glas, Papier und Karton ersetzt, die recycelt oder gar wiederverwendet werden können, um den Abfall zu minimieren und die Langlebigkeit zu fördern.

Bereits seit 2015 läuft die erste Photovoltaikanlage; in den letzten drei Jahren wurden sämtliche Dächer grossflächig ausgerüstet. Der übrige Energiebedarf wird mittels Schweizer Wasserkraft gedeckt, die Heizungen seit 2020 mit 100 % Biogas betrieben. 10 Jahre schon fährt das erste Elektrofahrzeug unter der Narimpex-Flagge, und laufend ersetzen ebensolche die bestehenden Verbrenner. Die restlichen CO2-Emissionen der Firma werden in Zusammenarbeit mit ClimatePartner vollständig kompensiert. Dabei unterstützt Narimpex zwei Waldschutzprojekte in Indonesien: im Biodiversitätsreservat «Rimba Raya», dem letzten Zufluchtsort der Borneo-Orang-Utans sowie in «Pacajà», einem der reichhaltigsten Ökosysteme der Welt, das so vor illegaler Abholzung geschützt wird.

Wenn die Rüebli «frühreif» sind

Da war einmal ein Bauer im Berner Seeland, dessen Rüebli aufgrund des Wetters schon im Juli statt im August erntereif waren. Trotz Vertrag lehnte ein Grossverteiler deren Abnahme ab. Narimpex sprang ein und kaufte kurzerhand die ganze Ernte, um daraus Suppe herzustellen. Dies war Anlass, unter der Hausmarke «nectaflor» die eigene Produktlinie «Stop Food Waste – hilf auch Du!» ins Leben zu rufen. Die «Stop Food Waste»-Linie ist eine Hommage an all jene Lebensmittel, die es nicht in den regulären Handel geschafft haben, weil sie nicht einer gewissen Form oder Grösse entsprechen, aber absolut geschmack- und qualitätsvoll sind. In Partnerschaft mit OGG Bern, foodwaste.ch und verschiedenen landwirtschaftlichen Organisationen werden diese zu köstlichen, haltbaren Fertigprodukten wie Sirup, Sugo, Suppen, Konfitüren, Trockenobst, Riegel und anderen innovativen Produkten verarbeitet. Wo ein Wille ist, ist ein Weg.

Narimpex unterstützt u.a. «Too Good To Go», das Social-Impact-Unternehmen hinter dem weltweit grössten Marktplatz für überschüssige Lebensmittel (2023 über 122 Mio. gerettete Mahlzeiten). Die Initiative «Oft länger gut» sagt der Verschwendung auf internationalem Parkett den Kampf an. Die Mission der Bieler Herstellerin ist es, den Produkten, die es aus verschiedenen Gründen nicht in den Handel geschafft haben, ein zweites Leben zu geben.

Schauen, riechen, schmecken

Narimpex sensibilisiert seine Kunden mit verschiedenen Kampagnen, den Unterschied zwischen «Mindestens haltbar bis» und «Zu verbrauchen bis» zu erkennen. Nach dem Motto «Vertraue deinen Sinnen, schau das Produkt an, rieche daran und probiere ein bisschen» lässt sich ganz einfach prüfen, ob ein Lebensmittel noch essbar ist. Das ist meistens deutlich über das sogenannte «Ablaufdatum» hinaus der Fall.

Wie Bernheim ist auch Narimpex darauf angewiesen, ihren Lieferanten, Mitarbeitenden und Endkunden die Zusammenhänge und die Sinnhaftigkeit des nachhaltigen Wirtschaftens und Konsumierens aufzuzeigen. Das ist ein langer, aber lohnenswerter Weg.

Zertifikatshandel

Der Zertifikatshandel hat den Ruf, lediglich ein «Ablasshandel» zu sein und dem Klimaschutz nur vordergründig zu helfen. Alles nur Green-Washing? ClimatePartner und auch andere Organisationen gehen heute deutlich weiter. Die ClimatePartner-Zertifizierung bestätigt, dass ein Unternehmen die fünf Schritte im Klimaschutz erfüllt (Siehe Grafik u. r. ).

Einige Massnahmen zur Reduktion von Emissionen liegen auf der Hand und können kurzfristig umgesetzt werden, etwa die Umstellung auf Grünstrom, die Beschaffung von recycelten Rohstoffen oder die Vermeidung von Geschäftsflügen. Jede Massnahme hilft, die Menge der zukünftig benötigten Zertifikate zu senken.

*Reto Gribi ist bei der Bernheim & Co. AG und bei der Narimpex-Gruppe als Verwaltungsratspräsident tätig. Er ist Mitglied des Stiftungsrats von SWISS GAAP FER, die derzeit einen Leitfaden für KMU erarbeitet für eine klare und praxisnahe Vorgehensweise bei Nachhaltigkeitsmanagement und -berichterstattung.

Grafik

Die Umweltauswirkungen der Textilherstellung

Für die Herstellung von Textilien werden grosse Mengen Wasser sowie Flächen zum Anbau von Baumwolle und anderen Fasern benötigt. Um ein einziges Baumwoll-T-Shirt herzustellen, braucht es schätzungsweise 2 700 Liter Süsswasser, was der Menge entspricht, die eine Person in 2.5 Jahren trinkt. Der Textilsektor war im Jahr 2020 die drittgrösste Quelle für Wasserverschmutzung und Flächenverbrauch: Pro Person wurden im Durchschnitt neun Kubikmeter Wasser, 400 Quadratmeter Land, 391 Kilogramm Rohstoffe benötigt und rund 270 Kilogramm CO2-Emissionen freigesetzt.

Quelle: Europäische
Umweltagentur (EUA)

Food Waste: Was läuft schief?

Gemäss einer Studie des Bundesamtes für Umwelt von 2019, fallen in der Schweiz jährlich rund 2,6 Millionen Tonnen Lebensmittelverluste an. Alleine die Landwirtschaft verzeichnet jedes Jahr durch Ernterückstände (was nach der Ernte liegen bleibt) oder Ausschüsse rund 225‘000 Tonnen Verluste. Gleichzeitig werden nach Angaben der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, jedes Jahr 1.3 Milliarden Tonnen geniessbare Lebensmittel – etwa ein Drittel der Weltproduktion – entweder gar nicht erst geerntet oder später in den Müll geworfen. Mehr als genug, um jeden der 800 Millionen Hungernden zweimal satt zu bekommen.

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