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Unternehmen neu gedacht  

Wenn die Kette bricht – das Risiko von Betriebsunterbrechungen

Die Globalisierung, komplexe Produkte und Just-in-time-Produktion machen die Industrie zunehmend anfällig für Unterbrüche in der Supply Chain. Ein Hochwasser in Italien, ein querstehendes Containerschiff im Suezkanal oder ein neuer Krieg – unterschiedlichste Ereignisse in der Welt können zu einem Ausfall eines Zulieferers oder Abnehmers führen und in dessen Folge auch zu einer Betriebsunterbrechung im eigenen Unternehmen. Wie kann man diesem Ausfallrisiko wirkungsvoll begegnen?

Die häufigsten Gründe für grössere Ausfälle in globalen Lieferketten sind Naturkatastrophen, Transportfehler, geopolitische Instabilität, Rohstoffmangel und Cyberangriffe. Im kleinen Rahmen, bezogen auf einzelne Lieferketten, sind unter anderem Brandschäden und Konkurse weitere Auslöser. Lean Management oder Just-in-time-Produktion, die das Ziel haben, Zeit-, Kapazitäts- und Lagerpuffer zu minimieren, erhöhen die Verletzlichkeit von Lieferketten. Um diesen Risiken adäquat zu begegnen, gilt es neben dem klassischen, internen Risikomanagement auch ein Supply-Chain-Risikomanagement zu implementieren. Es umfasst ebenfalls drei Hauptphasen: die Risikoidentifikation, die Bewertung und die Steuerung. Diese Phasen sollten jedoch in jedem Unternehmen der Lieferkette durchgeführt und in einer von allen einsehbaren Risikodatenbank dokumentiert, analysiert und strukturiert werden. So wird eine gemeinsame Grundlage für die Planung von Risikosteuerungsmassnahmen geschaffen.

Achtung vor dem Abschieben von Risiken

Das gemeinsame Vorgehen aller an einer Lieferkette beteiligten Partner ist leider ein theoretischer Idealzustand und noch nicht die Realität. In aller Regel stehen die direkten Lieferanten und Abnehmer eines Unternehmens im Fokus und mit diesen werden – im besten Fall – gemeinsame Risikomanagement-Massnahmen erarbeitet. Welche weiteren vor- oder nachgelagerten Risiken in der Lieferkette bestehen, ist oft nicht bekannt. Durch Risikoübertragungen versuchen einzelne Schlaumeier, ihre Risiken innerhalb der Lieferkette auf Dritte zu übertragen. Das können Lieferanten, Kunden oder Logistikdienstleister sein.

Aber Achtung:
Der reine Risikotransfer beseitigt weder das Risiko noch senkt er dessen Eintrittswahrscheinlichkeit. Es findet lediglich eine Verlagerung des finanziellen Risikos statt.

Der finanzielle Risikotransfer kann in der Praxis gar zu einer Risikosteigerung führen, besonders für kleinere Unternehmen; zum Beispiel wenn ein dominantes Unternehmen kostenintensive Risiken auf einen kleineren Zulieferbetrieb abwälzt, der sie grundsätzlich nicht tragen kann, aber aufgrund der ungleich verteilten Marktmacht fast zur Übernahme genötigt ist.

Wie eine heisse Kartoffel

Im schlimmsten Fall wird das Risiko durch die ganze Lieferkette hindurchgereicht, bis ein Kleinstunternehmen die gesamte Last für alle zu tragen hat. Zwar gibt es die Risikoübertragung auf eine Versicherung, wenn jemand ein Risiko nicht tragen kann oder will. Allerdings können Lieferketten auf diesem Weg nur teilweise abgesichert werden. Damit etwas versichert werden kann, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Zufälligkeit, Schätzbarkeit, Unabhängigkeit und Eindeutigkeit. Der Eintritt einer Naturkatastrophe bei einem Zulieferer beispielsweise ist als zufällig zu bezeichnen. Ob jedoch ein in der Lieferkette nachgelagertes Unternehmen dadurch eine Betriebsunterbrechung erleidet, ist nur bedingt zufällig. Durch geeignete Steuerungsmassnahmen in der Lieferantenauswahl, durch Diversifikation der Lieferanten (Multiple Sourcing) und durch ausreichende Lagerbestände lässt sich die Eintrittswahrscheinlichkeit einer eigenen Betriebsunterbrechung stark senken, wenn nicht sogar ausschliessen. Eine Zufälligkeit ist deswegen nur teilweise gegeben.

Was ist überhaupt versicherbar?

Die Schätzbarkeit des Schadeneintritts ist für den Versicherer ohne Einblick in die gesamte Lieferkette nahezu unmöglich. Gleichermassen kann der Versicherer wegen der oftmals fehlenden Transparenz die Unabhängigkeit der Schäden und mögliche Kumulrisiken kaum beurteilen. Die Eindeutigkeit ist jedoch gegeben, da diese anhand der Auswirkungen auf den Versicherungsnehmer objektiv bestimmt werden kann. Darüber hinaus können politische oder rechtliche Restriktionen dazu führen, dass bestimmte Risiken nicht gezeichnet resp. versichert werden. Auch kann die Höhe der risikogerechten Prämie dazu führen, dass Versicherungsnehmer aus betriebswirtschaftlichen Gründen von einem Abschluss absehen, wodurch eine Quasi-Unversicherbarkeit entsteht.Dieser Fall liegt bei der – meistens nur Grosskonzernen angebotenen – «Supply-Chain-Versicherung» bzw. «Non-Damage Business Interruption Insurance» vor. Diese leistet finanzielle Entschädigung, wenn ein Zulieferer oder Abnehmer ausfällt. Der Grund des Ausfalls ist dabei nicht relevant. Das Risiko ist jedoch derart schwer zu kalkulieren, dass die Versicherer hohe Anforderungen an die Versicherungsnehmer haben und teure Sicherheitszuschläge einkalkulieren.

Dies führt zu Prämien von 5 bis 10 % der Versicherungssumme und zu Selbstbehalten von 10 bis 20 %.

Solche Konditionen bewegen Unternehmen dann oft zu einer Risikoabwägung hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit und am Ende zum Entscheid, das Risiko selber zu tragen.

Genau hinschauen, was gedeckt ist

Nichtsdestotrotz bieten auch klassische Versicherungen zumindest einen partiellen Schutz. Sollen zum Beispiel Rückwirkungsschäden (= Betriebsunterbrechungsschäden) gedeckt sein, so ist ein separater Einschluss in den Bedingungen erforderlich. Die Besonderheit liegt darin, dass die Betriebsunterbrechung nicht aufgrund eines Sachschadens eintritt, sondern in der Betriebsstätte eines Zulieferers oder Abnehmers des Versicherungsnehmers. Flutkatastrophen können zum Beispiel dazu führen, dass betroffene Unternehmen nicht produzieren und somit auch nicht liefern können. Dies wiederum kann dann bei Abnehmern zu einer Betriebsunterbrechung führen.

In der Regel bezieht sich der Versicherungsschutz für Rückwirkungsschäden jedoch nur auf Zulieferer oder Abnehmer, die eine direkte Geschäftsbeziehung zum Versicherungsnehmer haben, sodass über diesen Einschluss in die Betriebsunterbrechungsversicherung nicht die gesamte Lieferkette versichert ist. Je nach Verhandlungsgeschick kann dieser Geltungsbereich jedoch ausgeweitet werden. Im Falle eines Transportschadens bietet eine Transport-Betriebsunterbrechungsversicherung Schutz. Diese Versicherung ersetzt dem Versicherungsnehmer den während der Betriebsunterbrechung entgangenen Gewinn, die laufenden Betriebskosten wie Löhne, Miete etc. sowie die Mehrkosten zur Schadensminderung (Ersatzbeschaffung, Überstunden, Eil- und Luftfrachtsendungen).

Zusammengefasst gilt bei dem Thema Unterbrechung in der Lieferkette: Vorbereitung ist die halbe Miete, insbesondere deshalb, weil die Versicherungen in diesen Fällen oftmals nicht vollumfänglichen Schutz anbieten. Es gilt also, die Risiken innerhalb der Lieferkette zu identifizieren und zu analysieren, um ihnen anschliessend mit geeigneten Risikomanagement-Massnahmen begegnen zu können. Die Erweiterung des eigenen Versicherungsschutzes ist eine, aber nicht die einzige Massnahme.

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