Eine halbe Million Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel

In der Schweiz stellt sich in den nächsten fünf Jahren bei fast 74 000 Unternehmen die Frage nach der Unternehmensnachfolge. Vom Gelingen des Generationenwechsels sind etwa 500 000 Arbeitsplätze betroffen. Der Bundesrat hat ein Gesetz in die Vernehmlassung geschickt, das die Interessen des Übergebers gegenüber denen des Nachfolgers stärken soll.
Geschäftsführer und Verwaltungsräte von etwa 74 000 Unternehmen in der Schweiz sind über 60 Jahre alt, die Frage der Nachfolge stellt sich dringend. Der Wirtschaftsinformationsdienst Bisnode D&B hat im vergangenen Jahr die Nachfolgeproblematik in den Schweizer Unternehmen untersucht und kommt zu dem Schluss, dass sich bei etwas mehr als 13 Prozent aller Firmen die Frage nach dem «Wie weiter» in den nächsten fünf Jahren stellen wird. Natürlich sind die rund halbe Million Arbeitsplätze nicht akut gefährdet, denn in gut 70 Prozent der Fälle gelingt die Übergabe. Dem Rest jedoch droht die Gefahr einer gescheiterten Übergabe und einer möglichen Liquidation. Die Einbusse an volkswirtschaftlicher Leistungskraft ist nicht zu unterschätzen.
Die Rolle der Unternehmensgrösse und -form
Vor allem kleine Firmen haben noch Hausaufgaben zu machen. Bei 13,6 Prozent der Unternehmen mit bis zu neun Beschäftigten und bei knapp 13 Prozent mit zwischen 10 und 49 Mitarbeitenden ist die Nachfolge unklar. Die Gesellschaftsform spielt hier eine wichtige Rolle: Rund 20 Prozent der Einzelfirmen sind betroffen. Bei grösseren Unternehmen mit über 50 Beschäftigten haben nur 7 Prozent ein ungelöstes Nachfolgeproblem. «Grössere Unternehmungen werden oftmals mit einem längerfristigen Planungshorizont geführt als Kleinbetriebe und thematisieren die Nachfolge auch früher», schreibt Bisnode D&B.
Einzelfirmen sind meist von der Inhaberin oder dem Inhaber geführt und viel zu sehr vom Tagesgeschäft absorbiert, als dass sie oder er sich um eine längerfristige Planung kümmern könnte. Von den GmbH haben hingegen nur 7 Prozent ein Nachfolgeproblem. Das hat weniger mit der Weitsicht der Gesellschafter zu tun als mit ihrem niedrigen Durchschnittsalter. Die Rechtsform der GmbH erfreut sich seit etwa zehn Jahren grosser Beliebtheit, seit auch Einzelpersonen sie gründen können. Die Gesellschafter sind also jünger und vom Pensionsalter noch weit entfernt.
Unterschiede in der Nachfolgeproblematik gibt es auch von Branche zu Branche. Bei den Druck- und Verlagsunternehmen suchen mehr als 20 Prozent eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger, bei den Architekturbüros sind es 17, im Autogewerbe und Einzelhandel über 16 Prozent. Am anderen Ende des Spektrums stehen Unternehmen aus der Telekom- und persönlichen Dienstleistungsbranche. Auch hier wird der Unterschied vor allem auf die Altersstruktur der Inhaberschaft zurückzuführen sein.
«Die grösste Herausforderung für den Generationenwechsel ist der Pflichtrechtsanteil des schweizerischen Erbrechts. Nach geltendem Recht geniessen die Interessen der Er ben gegenüber denjenigen des Unternehmens und sämtlicher mit den Unternehmen verbundenen Personen klaren Vorrang», schreibt der Rechtsanwalt Jonas Kipfer in der NZZ.
Wem soll ich übergeben?
Ein Unternehmen kann man entweder innerhalb der Familie weitergeben oder es an Fremde verkaufen. Etwa 41 Prozent der Nachfolgelösungen in der Schweiz werden innerhalb der Familie gefunden, 40 Prozent verkaufen an Dritte. Ein Management-Buy-out, bei dem das Kader das Unternehmen übernimmt, erfolgt in 19 Prozent der Fälle. Inhaberinnen und Inhaber müssen mit unterschiedlichen Zeithorizonten rechnen, je nachdem, für welche Lösung sie sich entscheiden. Nach der Studie von Bisnode D&B dauert eine familieninterne Übergabe im Durchschnitt 6,6 Jahre, ein Management-Buy-out 3,3 und ein Verkauf an Externe eineinhalb Jahre. «Es ergibt sich ein Richtwert von etwa fünf Jahren», schreiben die Autoren.
Das liebe Erbe
Die Weitergabe des Unternehmens in der Familie wird durch das Erbrecht erschwert, wenn der Inhaber oder die Inhaberin stirbt. «Die grösste Herausforderung für den Generationenwechsel ist der Pflichtrechtsanteil des schweizerischen Erbrechts. Nach geltendem Recht geniessen die Interessen der Erben gegenüber denjenigen des Unternehmens und sämtlicher mit den Unternehmen verbundenen Personen klaren Vorrang», schreibt der Rechtsanwalt Jonas Kipfer in der NZZ. Die Konsequenzen können für das Unternehmen dramatisch sein, denn die Ansprüche der Erben könnten sofort und ohne Rücksicht auf die Auswirkungen durchgesetzt werden. Wenn die Erben Geld sehen wollen, kann das für das Unternehmen das Aus bedeuten. Um das in Zukunft zu verhindern, hat der Bundesrat im April 2019 ein Paket an erbrechtlichen Neuerungen in die Vernehmlassung geschickt. Die Regierung beabsichtigt eine Stärkung der Interessen des Erblassers, sprich Unternehmers, gegenüber den Erben. In dem Paket ist unter anderem vorgesehen, dass das Unternehmen die Stundung der erbrechtlichen Ansprüche für maximal fünf Jahre beantragen darf, wenn es durch die sofortige Erfüllung in ernsthafte Schwierigkeiten geraten könnte. Das Unternehmen hat also Zeit, die finanziellen Forderungen aus dem Betriebserlös der nächsten Jahre zu finanzieren.
Weitere gesetzliche Schritte
Neben dieser Vernehmlassung hat das Parlament im März den Bundesrat angewiesen, eine Gesetzesgrundlage für die Einführung von Trusts nach Schweizer Recht auszuarbeiten. Dabei werden Vermögenswerte in einen Trust gelegt und professionell verwaltet; die Begünstigten erhalten die erwirtschaftete Rendite. Derzeit gibt es in der Schweiz meist nur Trusts nach angelsächsischem Recht. Mit dem Vorstoss sollen Unternehmen vor der Zerschlagung beim Erbgang geschützt werden. Die Form der Familienstiftung bietet sich derzeit nicht an, da sie die Begünstigung über Generationen hinweg nicht zulässt. Eine Reform des Stiftungsrechts, wie in der Parlamentsdiskussion angemahnt, oder die Schaffung von Trusts könnte das Überleben von Familienunternehmen sichern.