Eine Währung, die reichlich Zinsen abwirft
In der letzten Ausgabe der Business News lag der Fokus auf dem wertvollen persönlichen, sprich analogen Netzwerk. Dieses ist nach wie vor die Basis für jedes berufliche Weiterkommen. Doch egal, ob durch Unternehmenskooperationen, Mitgliedschaften in Service-Clubs oder Vereinen, durch die Teilnahme an Tagungen, Kongressen oder Networking-Events: Wer es schafft, in Zukunft seine Offline- und Online-Kommunikation zu verbinden, wird auf die persönliche Währung «Netzwerk» zurückgreifen können.
Den Wandel von Offline zu Online können wir bereits seit einiger Zeit im Netz beobachten:
- Unternehmen und öffentliche Institutionen wie die Finanzbranche oder die Polizei, deren höchstes Gut die Privatsphäre ist, haben innerhalb kurzer Zeit ihre Kommunikation in die Sozialen Medien verlegt.
- CEOs von grossen Konzernen kommunizieren und beziehen Stellung in einem Umfeld, in dem sie öffentlich angegriffen werden (können).
Die Stimme jedes einzelnen Mitarbeitenden in den virtuellen Netzwerken hat für ein Unternehmen mehr Gewicht als herkömmliche Werbekampagnen.
Physische Kontakte genügen nicht mehr
Die analoge «Währung» Netzwerk hat in den letzten Jahren durch die Digitalisierung einen elementaren Kurseinbruch erlitten. Die notwendige Wertsteigerung erfordert eine persönliche Neupositionierung und die bewusste Erweiterung des Netzwerks. Sehen Sie Ihr Netzwerk als eine nichtmonetäre Wertanlage. Um langfristig erfolgreich zu sein, braucht auch Ihr Netzwerk – wie jedes gute Portfolio – eine nachhaltige Anlagestrategie und die Kooperation mit Partnern, die sich im Markt auskennen.
Falls Sie unter Netzwerken hauptsächlich die Kontaktpflege durch den persönlichen Austausch verstehen, werden Sie sich darauf einstellen müssen, dass Ihr Netzwerk in Zukunft nicht mehr tragfähig sein wird.
Es wird nicht mehr in der Lage sein, die für Sie wichtigen und notwendigen Kontakte zu vermitteln. Netzwerken ist mehr als das Knüpfen und Pflegen von persönlichen Kontakten. Es bedeutet heute auch das grosszügige Teilen von Wissen und Erfahrungen. Besonders in einer Krisensituation wie aktuell mit Covid-19 und deren Auswirkung auf Wirtschaft und Gesellschaft, ist für Führungspersonen der digitale Austausch innerhalb des persönlichen Netzwerks sehr wertvoll. Die sofortige Umstellung auf Home-Office und virtuelle Meetings sind selbstredende Beispiele.
Wer während des Lockdowns weiterhin von den Erfahrungen, Tipps und Empfehlungen im eigenen Netz profitieren konnte, hatte und hat einen nicht zu unterschätzenden Vorteil.
Social Media sind Chefsache
Jedes Unternehmen befindet sich aktuell in einem Prozess der ständigen Umstrukturierung und Neupositionierung. Wir sprechen wie selbstverständlich von der Digitalisierung im Unternehmen, da wir diese meist als einen rein technischen Prozess verstehen, der ohne Probleme delegiert werden kann. Dabei wird vergessen, dass besonders die Kommunikation im Netz von der Unternehmensführung vorgelebt und getragen werden sollte.
Die Frage, ob uns die Sozialen Medien persönlich gefallen oder nicht, stellt sich schon lange nicht mehr. Wer Führungsverantwortung trägt, muss die Kommunikationswege unserer Gesellschaft und damit auch jene seiner Kunden kennen.
Die Welt hat sich schon immer mehr oder weniger stark verändert. Was uns jetzt aber immer mehr fordert, ist die Geschwindigkeit, in der neue Kommunikationswege entwickelt werden. Kaum haben wir eines der neuen Kommunikationsmittel kennen gelernt und auch akzeptiert, ist es bereits überholt. Wir leben mit dem ständigen Gefühl, nicht mehr auf dem aktuellen Stand zu sein. In den letzten Jahrzehnten hat sich gezeigt, dass diese Veränderungen einen immer grösseren Einfluss auf die Werte und Umgangsformen in unserer Gesellschaft haben. Die virtuelle Kommunikation stellt uns deshalb vor eine neue persönliche Herausforderung, denn wir müssen uns je länger je mehr mit der Frage der Ethik in der digitalen Kommunikation befassen.
Persönliche Werte als gemeinsamer Nenner
Unter digitaler Ethik verstehen wir die Anwendung von moralischen Massstäben in unserer «digitalisierten» Gesellschaft. Doch was bedeutet das für uns, wenn wir gleichzeitig einflussreich netzwerken wollen? Als ich mir diese Frage stellte, wurde mir bewusst, dass die Werte, mit denen ich durchs Leben gehe, gleichzeitig die Basis für meine digitale Ethik begründen. Es ist wichtig, dass man sein digitales Netzwerk beobachtet und die Kommunikation immer wieder mit den Werten, die man selbst lebt, abgleicht. Für mich sind Respekt, Höflichkeit und die Regeln des Anstandes die Grundwerte, die ich nicht offline und online lebe.
Auch Unternehmen müssen sich die Frage der digitalen Ethik stellen, wenn sie ihre Kommunikation in die virtuelle Welt verlagern. Oft wird von den Mitarbeitenden erwartet, dass sie das Unternehmen bei der virtuellen Kommunikation unterstützen. Denn jeder Like, jedes Teilen eines Beitrags durch eine Privatperson wird durch die Algorithmen der Portale besser unterstützt als die Werbeaktionen eines Unternehmens.
Die Zeit, in der Firmen ohne bezahlte Werbung schnell zu grosser Reichweite kamen, ist vergangen. Heute braucht es eine gut ausgearbeitete Kommunikationsstrategie mit News, Artikeln und Storys. Je mehr die Beiträge von Privatpersonen geteilt, geliked und kommentiert werden, desto grösser ist die Sichtbarkeit und umso wirkungsvoller die Kommunikation. Auch wenn die Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden dazu anhalten, sich an der Unternehmenskommunikation im Netz zu beteiligen, entscheiden die Mitarbeitenden letztlich selbst, ob sie dies möchten oder nicht.
Nur wer erkennt, dass das Liken, Teilen und Kommentieren der Unternehmenskommunikation auch gleichzeitig Chancen für die persönliche Statusarbeit bietet, wird sich für das Unternehmen engagieren.
Egal ob wir eine Stelle suchen, uns selbstständig machen oder mit bestehenden Kunden kommunizieren möchten: Wir müssen uns heute mit unseren Fähigkeiten auf dem Markt positionieren, und zwar genauso, wie ein Produkt oder eine Dienstleistung vermarktet wird.
Was ist privat, was ist geschäftlich? Oder gar beides?
Wir reden heute über Selbstmarketing, Eigenpositionierung und Ausbau des Netzwerks und bewegen uns gleichzeitig in einem Umfeld, das wir für sehr oberflächlich halten. Wir sehen die Likes unsere Kontaktpersonen und fragen uns, wo der Wert dieser Likes liegen soll. Wir erleben, wie private Themen wie Geburt, Krankheit und Schicksalsschläge in den sozialen Medien öffentlich gemacht, zum Teil sogar zelebriert werden. Kommunizieren wir als Privatperson, ist ein Like persönlich und bedeutet «Hey, gut gemacht, gefällt mir, danke, dass du deine Gedanken mit uns teilst». Sobald wir aber mit einem Unternehmensprofil sichtbar sind, muss uns bewusst sein, dass unser Statement nicht nur privat ist, sondern auch mit unserem Unternehmen in Verbindung gebracht wird.
Wir sind im Begriff, eine neue Sprache zu lernen, die einen grossen Einfluss auf unsere private und berufliche Zukunft hat. Eine Sprache, die sich aufgrund von Reaktionen und visuellen Zeichen wie Smileys, Herzen, klatschenden Hände und Glühbirnen entwickelt hat. Jahr für Jahr entstehen neue Begriffe, die noch besser auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten sind. Immer mehr verschmilzt diese persönliche und emotionale Art der Kommunikation mit der Unternehmenskommunikation. Dadurch wird die virtuelle Kommunikation ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft, der Wirtschaft und auch der Politik. Es stellt sich deshalb nicht die Frage, ob wir persönlich gerne damit arbeiten, sondern, ob wir diese Art der Kommunikation verstehen und, falls beruflich notwendig, einflussreich einsetzen können.
Wer es schafft, die beiden Welten der Online- und Offline-Netzwerke dauerhaft zu verbinden – und zwar persönlich und geschäftlich – wird einen nachhaltigen Kursanstieg der Währung Netzwerk erleben und lange Jahre von den Zinsen profitieren können.
Buchtipp
«Einflussreich netzwerken» von Petra Rohner
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