Zum Hauptinhalt springen
Unternehmen neu gedacht  

Führungswechsel: Abgeben heisst loslassen

Nach 20 Jahren werden bei Bracher & Partner, Advokatur und Notariat mit Standorten in Bern, Langenthal und Biel die Rollen neu verteilt: Per 1. April 2020 gibt Markus Meyer die operative Führung ab und konzentriert sich auf sein Amt als VR-Präsident. Sarah Schläppi übernimmt die Verantwortung als Vorsitzende einer vier­köpfigen Geschäftsleitung. Dass solche einschneidenden Ver­änderungen viel mit gegenseitigem Vertrauen zu tun haben, erläutern Sarah Schläppi und Markus Meyer im Gespräch.

Der mittelalterliche Philosoph Thomas von Aquin definierte Vertrauen als «durch Erfahrung bekräftigte Hoffnung auf Erfüllung von erwarteten Zuständen». Markus Meyer, als Sie vor zehn Jahren die frischgebackene Rechtsanwältin Sarah Schläppi einstellten: Welches waren Ihre Hoffnungen, und woher schöpften Sie das Vertrauen, dass Sarah Ihre Erwartungen erfüllen würde?

Markus Meyer: Ich hatte keine Stelle ausgeschrieben. Sarah kannte ich, weil wir in einem Personalverband zusammenarbeiteten. Ich hatte schon entschieden, dass wir den Standort Bern weiterentwickeln und ausbauen wollten, und mir war klar, dass dies zusätzliche Ressourcen erforderte. Sarah fragte, ob sie bei uns arbeiten könne. Ich war überzeugt, dass sie die Frau war, welche die Anforderungen an den neuen Job erfüllen konnte. Ich habe mit jungen Leuten immer sehr gute Erfahrungen gemacht, viele sind lange geblieben. Wenn man an das Potenzial eines Menschen glaubt, kann er auch an seiner ersten Arbeitsstelle etwas bewirken.

Sarah Schläppi, Sie waren 2010 noch nicht einmal dreissig und wurden mit der anspruchsvollen Aufgabe betraut, den Berner Standort von Bracher & Partner aufzubauen. Woher bezogen Sie das Selbstvertrauen, dieser Aufgabe gewachsen zu sein?

Sarah Schläppi: Ich bin so erzogen worden. Man kann viel erreichen, wenn man etwas wirklich will, alles dafür gibt. Ich habe früher Leistungssport betrieben, Leichtathletik vor allem; im Sport ist es entscheidend, an den Erfolg zu glauben und das nötige Selbstvertrauen zu entwickeln, wenn man schon so viel trainiert.

Wie gingen Sie damit um, dass Ihnen Markus Meyer grosses Vertrauen schenkte? Hatten Sie schon Erfahrung damit gemacht, dass man Ihnen vertraut?

Sarah Schläppi: Ja, meine Eltern haben mir unglaublich viel Vertrauen entgegengebracht. Ich habe einen jüngeren Bruder, der kein einfaches Leben hat, und ich habe früh gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Ich bin mir allerdings bewusst, dass es nicht selbstverständlich ist, gleich so viel Vertrauen geschenkt zu bekommen, wie es Markus getan hat. Ohne die Chancen, die er mir gegeben hat, wäre ich nicht da, wo ich heute bin.

Markus Meyer, basiert dieser Entscheid noch immer auf Vertrauen, oder ist an dessen Stelle die Gewissheit getreten, dass sie die Erwartungen erfüllen kann?

Markus Meyer: Nach zehn Jahren sollte ich sie kennen. Aber sie wird nun eine neue Funktion übernehmen. Bisher war immer noch einer da, der sich um das Geschäft kümmerte. Ich bin jedoch überzeugt, dass Sarah das kann. Ich halte es für ein Privileg, mit jemandem so lange zusammenarbeiten zu dürfen, und freue mich darauf, dass wir zusammen fortfahren können.

Sarah Schläppi, es gibt zahllose Beispiele von Konflikten bei Geschäfts­übergaben, weil der abtretende Patron die Fäden dann doch nicht aus der Hand geben kann. Was gibt Ihnen das Vertrauen, dass es bei Bracher & Partner nicht so laufen wird?

Sarah Schläppi: Ich vertraue darauf, weil Markus und ich nicht nur Schönwetterpiloten sind. Wir haben schon Meinungsverschiedenheiten, harte Auseinandersetzungen und Diskussionen gehabt. Wir sind nicht immer auf einer Wolke gesegelt, sondern haben uns intensiv miteinander auseinandergesetzt. Daher kennen wir einander relativ gut.

Markus Meyer, Sie bleiben ja VR- Präsident von Bracher & Partner Partner, Advokatur und Notariat. Was unternehmen Sie, um der Versuchung zu widerstehen, weiterhin operativ mitzureden?

Markus Meyer: Meine Einflussnahme wird massiv abnehmen. Die Aufgabenteilung ist in unserem Managementsystem sehr klar geregelt. In diesem System hat der VR-Präsident keine operative Funktion. Alle operativen Entscheide werden nicht mehr von mir getroffen. An GL-Sitzungen werde ich nicht mehr teilnehmen. Ich muss allerdings beifügen, dass Sarah und ich einen intensiven informellen Austausch pflegen, und ich hoffe und wünsche, dass dies so bleiben wird. Der Schritt, den ich mache, ist für mich wichtig. Ich denke, wir können als Firma noch professioneller werden. Ich habe als One-Man-Show begonnen. Jetzt sind wir 25 Leute an drei Standorten; wir haben eine Struktur mit Sarah als VR-Delegierte und Geschäftsleiterin sowie Verwaltungsräten, die nicht in der GL Einsitz haben.

Sie verantworten ab Frühling 2020 nur noch die Strategie von Bracher & Partner. Haben Sie Vorstellungen von der Marschrichtung?

Markus Meyer: Ja, die habe ich. Ich setze weiterhin auf ein gesundes Wachstum. Ziel ist es, die Firma organisch weiterzuentwickeln. Aber es gibt natürlich auch Raum für neue Ideen. Zum Beispiel hat sich Bracher & Partner bisher auf den Espace Mittelland fokussiert. Würde sich die Frage einer Expansion über diese Grenzen hinaus stellen, müsste sie sorgfältig geprüft werden. Haben wir die dazu notwendigen Leute, sind genügend Ressourcen vorhanden, ist eine Expansion erfolgversprechend? 

Sarah Schläppi, Sie wollen die GL stärker in Führungs- und Entscheidungsprozesse einbinden. Aber am Ende tragen Sie die Verantwortung. Sehen Sie sich eher als Prima inter pares, die Mehrheitsentscheide akzeptiert, oder werden Sie im Notfall auch gegen die übrige GL entscheiden?

Sarah Schläppi: Ich nehme mir vor, mich nicht gegen den Rest der GL durchzusetzen, weil wir das auch bisher so gehandhabt haben. Zwar gibt es Geschäfte ausserhalb des Kompetenzbereichs der GL, bei denen man selber entscheiden muss. Aber wenn die GL nicht mit Leuten besetzt wäre, denen ich vertrauen kann, dann wäre unsere Personalpolitik falsch.

Wie oft wird sich denn die neue GL treffen?

Sarah Schläppi: Bisher hatten wir acht GL-Sitzungen pro Jahr. Über die Häufigkeit müssen wir erst noch entscheiden. Aber wir arbeiten an verschiedenen Standorten, daher sind GL-Sitzungen mithin auch eine Ressourcenfrage.

Sie haben offenbar gelegentliche Meinungsverschiedenheiten. Wie tragen Sie diese aus, und wie lösen Sie sie?

Markus Meyer: Sie treten kaum in Sachfragen auf, sondern eher dort, wo es um den unternehmerischen Bereich geht. Stellen wir jemanden ein oder nicht? Wie richten wir uns aus? Es wäre übrigens ein schlechtes Zeichen, wenn es diese Meinungsverschiedenheiten nicht gäbe. Dann würde Sarah die Entscheide ja einfach abnicken. Dass wir gezwungen sind, unsere Haltung zu hinterfragen und wenn nötig anzupassen, ist ein guter und wichtiger Prozess.

Sarah Schläppi: Manchmal reden wir zu wenig miteinander; das führt dann zu eher unnötigen Diskussionen, die sich erübrigt hätten, wenn man Themen rechtzeitig angegangen wäre. Wenn unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen, schlafen wir normalerweise darüber, und am nächsten Tag nähere ich mich seiner Haltung an und er sich meiner. Oder wir gehen miteinander essen, um jenseits des Büros ohne Stress und Zeitdruck reden zu können.

Markus Meyer: Ich schätze es sehr, dass man einerseits einer Traktandenliste folgt, aber daneben auch informell zusammen essen oder eine Stunde rennen geht. Das sind ideale Gelegenheiten, um das Vertrauen zu festigen. 

Diesen Artikel teilen